Robert Sedlaczek, Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs

Buch-Cover

Oft braucht man ein Wörterbuch, um ein Kreuzworträtsel zu lösen, im Falle der Alltagssprache Österreichs freilich ist das Wörterbuch das Kreuzworträtsel selbst.

Es geht grob gesagt um jene Wörter, die man uns einst in der Schule ausgetrieben hat, um unsere österreichische Seele zu retten. Dabei kommt der österreichische Sound immer dann zum Einsatz, wenn etwas Lustvolles, Sexuelles oder Obrigkeitsfeindliches sprachlich gestaltet werden muss.

So gesehen wimmelt es im Wörterbuch nur so von Begriffen des Widerstandes und der Hinterfotzigkeit, und das erklärt vielleicht jene These, wonach die öffentliche Stimmung in Österreich deshalb so lethargisch ist, weil der Wahnsinn lustvoll in der privaten Sprache ausgelebt wird.

Nach einem Einstimmungs-Interview zwischen dem Herausgeber Robert Sedlaczek und seiner Sprach-Partnerin Melita Sedlaczek legen die österreichischen Spezialbegriffe wie von selbst los. Die einzelnen Einträge lesen sich wie zynische Kabarettprogramme, was sich daran erklärt, dass gerade im Kabarett und in der Subkultur die tabuisierten Dinge beim Namen genannt werden.

Endlich kann man Begriffe wie Gatsch, Gfrieß oder Klachl laut aussprechen, ihre Herkunft deuten und sich Anwendungsbeispiele ausmalen. Die Sprachbelege des Österreichischen stammen in der Hauptsache von Kabarettisten und Untergrundkünstlern, Alltags-Genies wie Kurt Sowinetz, Armin Assinger, Felix Mitterer, Josef Hader, STS oder Georg Danzer werden jeweils mit einem kunstvollen Sager zitiert.

Zwischen die Begriffe der Sexualität und anderer Alltagsbedürfnisse sind elegant politische Aussagen versteckt. So wird der Tiroler KFZ-Künstler und ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger als Hättiwari tituliert. Ein Hättiwari ist folglich ein Philosoph, der den Möglichkeitssinn für realistisch hält und das eigene Scheitern somit ständig entschuldigen kann.

Das beliebte Monopoly-Spiel DKT, das jeder von uns aus fernen Kindertagen kennt, wird in seiner aktuellen Form als KHG vorgestellt, wonach das Markenzeichen KHG (Karl-Heinz Grasser) für beliebiges Jonglieren von Finanzen und Stiftungen steht.

Die einzelnen Einträge entfalten sich im Kopf des Lesers sofort zu ganzen Geschichten, die durchaus einen Hang zum Dramatischen haben. Denn eines muss man den österreichischen Wörtern lassen, sie sind nie fad. Selbst ein fades Auge ist noch etwas Quietsch-Fideles, wenn längst schon alles in Lethargie versunken ist.

Aufgestachelt von diesen vielen aufregenden Wörtern kommt man als stiller Sprach-Genießer zum Schluss, dass das Österreichische die subversive Kraft besitzt, selbst in der beschissensten Lage sich selbst noch einen eleganten Sprach-Klachel draufzusetzen.

Robert Sedlaczeks augenzwinkerndes Wörterbuch ist eine grandiose Fibel für ein bewegtes Alltagsleben!

Robert Sedlaczek, Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs. Woher die Wörter kommen. In Zusammenarbeit mit Melita Sedlaczek. Wissenschaftliche Betreuung von Heinz-Dieter Pohl.
Innsbruck: Haymon 2011 ( = Haymon tb 73), 335 Seiten, 12,90 €, ISBN 978-3-85218-873-7

 

Weiterführender Link:
Haymon-Verlag: Robert Sedlaczek, Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs

 

Helmuth Schönauer, 30-05-2011

Bibliographie

AutorIn

Robert Sedlaczek

Buchtitel

Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Haymon

Seitenzahl

335

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-85218-873-7

Kurzbiographie AutorIn

Robert Sedlacek, geb. 1922 in Wien, lebt in Wien.

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