Manfred Chobot, Der Tag beginnt in der Nacht

Buch-Cover

Tag und Nacht greifen bekanntermaßen ständig ineinander über, so dass sich auch der Mensch am Tag auf die Nacht vorbereitet und in der Nacht auf den Tag. Ein ideales Vorbereitungsmittel hierfür ist der Traum. Einen guten Traum rettet man aus der Nacht heraus in den Tag, umgekehrt träumt man in der Nacht Geschichten des Tages zu Ende.

Manfred Chobot platziert seine Erzählung im Schlagschatten des jeweils anderen Zustands. Mag sein, dass diese Sequenzen teilweise zusammen geträumt sind, es kann aber durchaus sein, dass die hellwache Tagesfiktion in das Licht der Nacht getreten ist.

Ein Ich-Erzähler ist von ein paar Figuren wie Hans Carl, Stifter, Agathe oder Beate und Hannah umgeben. Einmal heiratet er Hannah, um sich eine Seite später wieder scheiden zu lassen. Es wird eine Wohnung umgebaut, in die Ferien gefahren, gegrillt und geschäftlich verhandelt.

Die Handlungen gehen wie im absurden Theater scheinbar ohne Logik auf einander zu und an einander vorbei. Die Dialoge sind in Ansätzen richtig, arten dann aber in Hörfehler und Missverständnisse aus. Eingeschleuste Sprichwörter haben an der wichtigen Stelle ein semantisches Loch, so dass sie wie ausgeblasene Spracheier in der Gegend herum torkeln.

Die Irritation entsteht durch falsche Verwendung der Wörter und ungenaues Zusammenstellen der Tätigkeiten. So legt jemand eine Platte statt auf den Plattenteller auf die Herdplatte, bis das Vinyl in einer einzigartigen Tonabfolge schmilzt.

Ein Modelleisenbahnbetreiber schätzt die Größenordnungen falsch ein und benimmt sich als echter Bahnbetrieb mit Schwarzfahreraktionen, Fahrkartenautomaten und sinnlosen Durchsagen.?Sie sind zu klein oder zu groß, jedenfalls qualitativ den Normen nicht entsprechend. (45)

In den Erzähl-Strom eiernder Absurditäten sind möglichst unauffällig philosophische Sätze eingeflochten.

Friedhöfe sind nichts als die Hinterhöfe des Lebens. (68)

Durch diese Querfräsung der üblichen Semantik werden plötzlich auch scheinbar normale Sätze auffällig. "Handeln Sie nach Gutdünken, von mir bekommen Sie jeden Handlungsspielraum", sagt etwa ein Chef zu einem Untergebenen, und es ist nicht sicher, ob es nicht doch ein Affront ist.

Bei Tageslicht gelesen ist Manfred Chobots Erzählung nicht von dieser Welt. Andererseits gibt es keine ungültigen oder falschen Stellen darin. Das Schwanken der Glaubwürdigkeit überträgt sich auf den Leser, der immer heftiger zu einer unbeantwortbaren Frage hingerissen wird: Spinn ich oder ist die Welt vielleicht wirklich so?

Manfred Chobot, Der Tag beginnt in der Nacht. Eine Erzählung in Träumen
Wien: Sonderzahl 2011, 113 Seiten, 16,00 €, ISBN 978-3-85449-346-4

 

Weiterführender Link:
Sonderzahl-Verlag: Manfred Chobot, Der Tag beginnt in der Nacht

 

Helmuth Schönauer, 15-08-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Manfred Chobot

Buchtitel

Der Tag beginnt in der Nacht. Eine Erzählung in Träumen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Sonderzahl

Seitenzahl

113

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-85449-346-4

Kurzbiographie AutorIn

Manfred Chobot, geb. 1947 in Wien, lebt in Wien.

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