Hans Platzgumer, Expedition

platzgumer_expedition.jpgMit den Namen hat es überhaupt so manche Bewandtnis. In der Musikszene wird oft nicht die Musik verändert sondern der Namen der Künstler. So erlebt das Publikum altbewährte Musik unter stets neuen Namen.

Hans Erich Platzgumer wird zu HP Zinker (wegen der langen Nasen, dem Zinken mitten im Gesicht), nennt sich und seine Mitmusiker Shinto, Queen of Japan oder einfach E:GUM. Im Anhang des Romans gibt es eine ganze Seite voll Pseudonyme, die Diskographie füllt gar sieben Seiten und bietet so einen recht handfesten Ausstieg aus dem Roman.

Jawohl, Roman. Mit "Expedition" schreibt Hans Platzgumer zwar vordergründig so etwas wie eine Autobiographie, aber von der Ironie, dem witzigen Zapfhahn zum eigenen Gedächtnis und der skurrilen Stofffülle her gesehen handelt es sich um einen Künstlerroman, der es durchaus mit Eduard Mörikes "Maler Nolten" oder Gottfried Kellers "Der grüne Heinrich" aufnimmt.

Noch in Jahrzehnten wird man in ?Expedition? nachlesen können, was in der Musikszene zwischen 1980 und 2005 abgegangen ist. Zollkontrollen bis zum Orgasmus, die Müdigkeit und Aufgekratztheit bei Tourneen, das ständige Wachhalten der eigenen Mission, der Glaube an die eigene Qualität und schließlich jener federnde Absprung aus dem Kaff Innsbruck in die Welt hinaus ? das ist höchste Literatur, wie sie nur die besten fiktionalen Helden zusammenbringen.

Die 540 KB im Untertitel entsprechen schließlich jener Datenmenge, mit der sich eine Autobiographie abspeichern lässt, und verglichen mit Musikfiles ist das eine dünne Materie.

Nach Tourneen durch sämtliche Kontinente, dem permanenten Changieren von Musikrichtungen und einem Wirrsinnsknoten an Kompilationen, kehrt über dem Nordpol so etwas wie musikalische Ruhe ein. Hans Platzgumer landet schließlich auf jenem Podest über dem Nordpol, wo die Musik magnetisch perfekt in sich selbst ruht.
Grandios sind die Eigendarstellungen der Musik, in lyrischen Sequenzen geht es um Loops, Riffs und ausgefranste Gehörränder, die den Musiker beim Spielen umspülen.

Kaum sichtbar apert immer wieder ästhetische Theorie aus und mündet oft in Handwerker-Heimlehrsätzen. Etwa wenn Platzgumer beschreibt, dass er zwischendurch genug von den Instrumenten hat und sich an der Musik zu schaffen macht. Oder wenn er sich das Medium Filmmusik erobert. Untergrundmusiker bedeutet auch, unter gängigen Mainstreams, akademischen Wirrnissen und einem ephemeren Tagessound hindurchzutauchen wie eine musikalische Robbe, die den Fängern entwischt.

ch bin im Grunde genommen nichts anderes als ein vergänglicher physikalischer Prozess, eingebunden in höhere kosmische Zusammenhänge. Ich nehme etwas auf und gebe etwas ab. Ich werde von etwas aufgenommen und in etwas abgegeben. Ich treibe in meiner Dunkelheit, in der Atmosphäre. (296)

Hans Platzgumers Expedition ist eine bescheiden gehaltene aufregende Annäherung an jene Spannung, die sich bei Künstlern zwischen dem inneren und dem äußeren Nichts täglich entlädt.

Hans Platzgumer: Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 KB. Vom inneren Nichts ins äußere Nichts. Vom Parasiten an den Nordpol.
Innsbruck: Skarabaeus 2005. 333 Seiten. EUR 19,-. ISBN 3-7082-3188-0.

 

Helmuth Schönauer, 04-09-2005

Bibliographie

AutorIn

Hans Platzgumer

Buchtitel

Expedition

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

333

Preis in EUR

EUR 19,-

ISBN

3-7082-3188-0

Kurzbiographie AutorIn

Hans Platzgumer, geb. 1969 in Innsbruck, lebt als Musiker und Autor in München und am Bodensee.

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