Dine Petrik, Bibliotheca Alexandrina
Wie kann ein einzelnes Ich das Universum des Lesens aushalten? Wie stürzt die ewige Geschichte durch das Nadelöhr der Gegenwart? Wie klettert man in Begeisterung über Kontinente von Schrift, ohne die Orientierung zu verlieren?
Dine Petrik hat als reisendes Ich die Bibliothek von Alexandria besucht und in einem Reise-Essay die Geschichte der Bibliothek, die Magie von Schrift und die Erlebniskraft einer Reise zu Buche gebracht.
Denn schon die Fügung "etwas zu Papier bringen" zieht ein ganzes Kapitel von Geschichte nach sich, Papyrus, der unter der Last der Schrift zerfällt, Bibliothekare, die sich um die Rettung Aufzeichnungen aus allen Epochen bemühen und dann wieder große Säle der modernen Bibliothek, worin sich für Stunden der Weltgeist versammelt, während die Bücher entpackt und gelesen werden.
Dine Petrik lässt die Jahrhunderte durch die lesenden Finger perlen, erzählt von Völkern, die sich mit der Schrift unvergessen gemacht haben, vom Wesen einer Bibliothek und von der Ehrfurcht der Lesenden. Ausgangspunkt für diese historischen Meditationen ist die haptisch erfassbare Bibliothek, die als Remake des ehemaligen Weltwunders in Alexandria 2002 errichtet worden ist.
Die architektonischen Dimensionen sind beeindruckend, in der Fünfmillionenstadt Alexandria erhebt sich die Bibliothek als Riesenscheibe aus dem Meer, im großen Lesesaal können zweitausend Leser gleichzeitig der Lektüre frönen. Imposante Fotos in scharfen Konturen gehalten zeigen verblüffende Details, verschlungene Zugänge und das Flechtwerk des Wissens auf neuestem Stand.
Dine Petriks Essay ist eine Hommage an das Lesen. Ihr Buch ehrt alle diese scheinbar verrückten Menschen, die quer durch die Geschichte an den Sinn der Schrift geglaubt haben. Ihr Bericht aus dem Zentrum aller Bibliotheken ist auch ein hohes Lied an alle Bibliothekare, die unangefochten von Modeströmungen stracks Kurs halten in Richtung Aufklärung, Erhellung der Dinge und Sinn.
Dine Petrik: Bibliotheca Alexandrina. Unterwegs auf Weltwunderboden. Mit Fotografien von Gerald Zugmann.
Wien: Sonderzahl 2005. 109 Seiten. EUR 14,-. ISBN 3-85449-229-4.
Helmuth Schönauer, 29-09-2005