Susanne Dirr, Wenn die Traumuhr ein Seil ins Leben spannt
Es gibt Psychologen, die reden eine Stunde lang nichts, und beim Hinausgehen ist der Patient dennoch erleichtert, und dann gibt es welche, die reden in einer Stunde eine Stunde lang, und der Patient ist von dieser Fülle wunderbar entleert.
Susanne Dir gehört eher zu den Vielrednerinnen, sie erzählt dem Leser alles, was er braucht, damit er glücklich ist. Schon der Titel ist etwas barock gewählt, es braucht allerhand, bis da eine Uhr, ein Seil und das Leben zusammenkommen. Und der Untertitel bringt alles aufs Tableau, was irgendwie eine Gattung ist. Als ob die Fülle noch nicht genug wäre, gibt es noch Bilder, Illustrationen und Farblichter als Untergrund. Das Seniorenauge ist jedenfalls bei diesem Buch ziemlich gefordert und als Leser mit nachlassendem Licht ist man nach jeder Seite baff und glücklich, dass man etwas hat entziffern können.
Worum geht es? - Am ehesten kann man das Buch als große Moderation einer Glückssendung begreifen. Es werden Themen angeschnitten, als Meditation zum Anklingen gebracht, und dann gibt es in Form eines frustrierten Leserbriefes die Erörterung. Am Schluss geht aber immer wieder das Licht auf und das Seil der Traumuhr weiter.
Es beginnt federleicht und weiß, dann kommt ein Kind auf die Welt und zieht eine Glücksspur nach sich. Der gelbe Teil gehört zu Ostern wie das Gelbe vom Ei. Jetzt steht die Sonne schon sehr hoch im Buch und die Traumuhr gongt und irgendwer wird Seil hüpfen.
Die Ehe ist ein Kunstwerk! Huch, alles ist blutrot unterlegt, an schlechten Tagen ist dieses Rot eher blutig als jenes der Liebe.
„So eine Scheiße! Das ist doch echt Scheiße.“ (91) Ein Supertext, das Buch ist am Höhepunkt. Fünf Seiten lang redet ein gewisser Helmut nur Scheiße. Das Jahr ist wirklich am Höhepunkt.
Jetzt wird es braun und der Herbst bricht ein, aber die Sonne scheint immer (113) heißt es, weil es ja bald Winter wird, da kommt die Psychose daher, die Augen nach innen gewandt – der Hautgrenze enthoben (117), das muß die Psychose sein, sie ist schon ganz violett wie der fette Advent.
Weihnachten, Weihnachtsflucht, das Jahr droht eine Woche zu früh zu enden, aber es geht sich genau aus, wieder ein Jahr, und die Lektüre beginnt von vorne.
Ja, so schaut Literatur aus, wenn sie etwas zu sehr angewandt wird und zu wenig Freilauf hat. Aber sagen wir so, diese Traumuhr mit Seil ist eine umfangreiche Jahresbegleitung für alle Stimmungen und Farben. Vielleicht sollte man das Buch einfach aufgeschlagen wo liegen lassen und ab und zu nachschauen, ob die erlebte Außenwelt des Lesers mit der erzählten Innenwelt des Buches an manchen Tagen übereinstimmt. Und sich dann ordentlich freuen. Denn nicht nur Stunden beim Psychiater gehen nach einer Stunde immer gut aus, auch Bücher zum Jahreskreis gehen nach einem Jahr immer glücklich ins nächste (Buch?) über.
Susanne Dirr: Wenn die Traumuhr ein Seil ins Leben spannt. Gedichte – Gedanken – Geschichten. Illustrationen von Sabine Penz.
Vils: Suria Verlag 2005. 152 Seiten. EUR 17,90. ISBN 3-902215-04-6.
Helmuth Schönauer, 16-12-2005