Klaus Händl, Stü-cke
Klaus Händl zieht sich beim Schreiben immer die Umkehrmütze über den Kopf und wird zum Händl Klaus. Das macht Buchhändler und Bibliothekare ziemlich verrückt, weil plötzlich Vor- und Nachname und jegliche Ordnung überhaupt nicht mehr stimmen. Und noch eine zweite Besonderheit zeichnet Händl Klaus aus. Seine Stücke lassen sich auch als Buch mit großem Abenteuergewinn lesen.
Rechtzeitig zur Uraufführung des Stückes „Dunkel lockende Welt“ ist ein Händl-Reader mit drei Stücken erschienen. Im jüngsten Stück schlagen sich jeweils zwei Personen drei Akte lang durch die Untiefen einer brüchigen Alltagswelt. Im Mittelpunkt steht Corinna, die von einem Asthmatiker eine Wohnung gemietet hat und das Lebensgefühl des frostigen Finnland mit der Bruchbude in Leipzig vergleicht. Die Wortmeldungen sind jeweils so asthmatisch kurz, dass sie nie über eine halbe Zeile hinausgehen.
Für das lesende Auge ergibt sich bald einmal ein dramatisches Gedicht, das wie der Abspann zu einem Film sich von selbst herunter scrollt. Dabei ragen manchmal thematische Riffs aus dem Dialog, ehe wieder die Wortbrandung alles fortspült. Die Lektüre von Foucault, Tod durch Krebs, Verwitterung der Wohnung und kalte Gräber in Finnland sind solche Erhöhungen, an denen das Stück verweilt, ehe die Figuren weiter suchen nach der Dunkel lockenden Welt.
Das mittlere Stück „Wilde“ handelt von einer Ausnahmesituation einer Familie, die in überhitzter Situation einen Fremden aufnimmt und ihn tödlich freundlich ausnimmt und erledigt. Die Endzeitstimmung von Neumünster an der Lau führt in eine atmosphärische Gegend, wo sich die Zivilisation bereits verabschiedet hat und die Menschen als pure Psyche in voller Härte sich gegenseitig aus dem Weg räumen durch bloße Anwesenheit.
Der Monolog „Ich ersehne die Alpen“ bedeutet nicht nur einen fulminanten Start des Readers, dieser zweischneidige Text von der Unheimlichkeit der Alpen und der letalen Lieblichkeit eines Försters ist für Händl Klaus auch jenes Trampolin, mit dem er 2001 jäh und ungestüm in die Theaterluft gesprungen ist.
Mit diesen drei Texten hat es der Autor geschafft, unverwechselbar zu sein. Seine Stücke lassen jeweils Theaterkultur, den Kanon der Stücke und Ikonen der Dramaturgie erkennen. Aber sobald man sagen will, das ist wie Tennessee Williams oder wie Samuel Beckett oder wie Ödön von Horvath, ist Händl Klaus schon wieder abgebogen vom Zitat und bei sich selbst gelandet.
Markenzeichen ist vielleicht das Zusammenschrumpfen von mehreren Figuren zu einem gesprochenen Text. Im Titel des Buches hat man dieser Technik Rechnung getragen, indem die Stü-cke getrennt geschrieben sind und sich erst im Auge des Lesers zu einem Begriff zusammenfügen.
Klaus Händl: Stü-cke. 3 Stücke. (Ich ersehne die Alpen. – Wilde. – Dunkel lockende Welt.) Mit einem Nachwort von Helmut Schödel.
Graz: Droschl 2006. 155 Seiten. EUR 16,-. ISBN 3-85420-703-4.
Helmuth Schönauer, 26-01-2006