Franz Weinzettl, Abseits, auf den Gleisen

Buch-CoverVielleicht ist unser Leben ein spärlich befahrener Schienenstrang, holperig verlegt durch krummes Gelände, überwuchert von den Schlingpflanzen der Saison und ausgesetzt den hemmungslosen Verwitterungen.

Franz Weinzettl nennt seinen Lebensentwurf Abseits, auf den Gleisen. Eine Bahntrasse führt durch entlegenes Gelände und ein Beobachter bewegt sich leise auf den Schienen, während sein Blick ständig abschweift in die unmittelbare Umgebung.

Meistens ist der Erzähler mit dem Zug unterwegs, der langsam aber verlässlich durch diese Gegend rollt, in kleinen Fenstergroßen Notizen fällt das Licht in den Text, Kleinigkeiten, Stimmungen, kleine Geräusche in der Stille der Seele.

Manchmal ist den Stillleben ein Datum eingeritzt, aber die Jahreszahl beibt ungenannt, denn die Notizen sind zeitlos gültig, wenn etwa ein Reh erstarrt, während der Zug vorüberfährt oder Raureif an den Schienen klebt.

Dem Beobachter wächst der eigene Blick zu einem Schienenstrang aus, alles, was er ins Gesichtsfeld bekommt, hat entweder mit der Holprigkeit des Gleisbettes oder der glänzenden Oberfläche der Schienen zu tun, Wanderschuhe entfalten die Unwucht von Schwellen, leere Bahnhöfe und Wartehüttchen lassen sich mit sakralen Gebäuden vergleichen.

Wenn aber eines Tages die Bahnstrecke stillgelegt werden würde? Sänke dann nicht vieles, früher oder später, in sich zusammen? Auch etwas Wesentliches in den Menschen. (Daß eine Art Kontaktbügel in ihnen selber zusammenklappen würde, stellte er sich vor. Folge: keine Energie, kein Strom, kein "Saft"mehr - Stillstand, Tod.) (73)

Das Leben als eine Strecke, die abseits des Weltstromes unauffällig einen eigenen Sinn entwickelt! - Franz Weinzettl erzählt behutsam in kleinen Bildern, die Geschichte fügt sich aus hunderten von winzigen Sequenzen zusammen, manchmal melancholisch eingefärbt, dann wieder asketisch glasklar ausformuliert.

Die einzelnen Prosa-Zellen haben auf den ersten Blick die Kraft einer Tageslosung, spenden Trost, indem sie mit vollem Wachsinn aus der eigenen Hülle des Erzählers hinaus lugen. Zusammengefügt ergeben diese poetischen Pixels freilich einen kompletten Lebensentwurf: so könnte ein Leben ausschauen, das den Betreiber glücklich macht!

Abseits, auf den Gleisen, ist ein berührendes, beruhigendes und ungemein fröhlich stimmendes Buch, das quer über alle Gemütslagen und Jahreszeiten ausgebreitet ist.

Franz Weinzettl, Abseits, auf den Gleisen.
Wien: Edition Korrespondenzen 2008. 273 Seiten. EUR 23,70. ISBN 978-3-902113-55-9.

 

Weiterführende Links:
Edition Korrespondenzen: Franz Weinzettl, Abseits, auf den Gleisen
Wikipedia: Franz Weinzettl

 

Helmuth Schönauer, 06-10-2008

Bibliographie

AutorIn

Franz Weinzettl

Buchtitel

Abseits, auf den Gleisen

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2008

Verlag

Edition Korrespondenzen

Seitenzahl

273

Preis in EUR

23,70

ISBN

978-3-902113-55-9

Kurzbiographie AutorIn

Franz Weinzettl, geb. 1955 in Feldbach, lebt als Schriftsteller und Psychotherapeut in Graz.

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