Cornelia Travnicek, Fütter mich

Buch-CoverIm Zeitalter der Koch-Shows scheint es für manche Menschen nur noch ein Thema zu geben: Essen in allen Varianten und Kapazitäten.

Cornelia Travnicek setzt in ihren elf Erzählungen die Figuren der Kultur des Essens aus, dabei reichen die Fügungen von der Bitte "Fütter mich" hin bis zum unangenehmen Gefühl des Endstadiums, wenn die Panier des Schnitzel sich unter den künstlichen Zähnen verklemmt.

Zwischen die beiden Puffer "Wo wir sind" und "Wer wir sind" sind Geschichten eingebaut, in denen Menschen ums pure Überleben rudern, den Lebenssinn suchen oder an der eigenen Unzulänglichkeit scheitern.

So verschlingt ein autistischer Junge etwa immer wieder die seltsamsten Gegenstände, weil offensichtlich das Essen der einzige Zugang zur Welt ist. Ständig will der Junge seine besondere Zuneigung zur Welt kundtun, sucht etwa ein Elster-Netz mit angeblich wertvollem Schmuck auf, und muss letztlich immer wieder ins Krankenhaus, wo man ihm den Magen voller Glitzerdinge auspumpt.

Abmagerungskuren bis das pure Wasser erbrochen wird, eine Schwangerschaft, die den Bauch anschwellen lässt, eine Liebensgeschichte, die auf der Bahre des Übergewichtes endet sind weitere Stationen des Essens.

In der Titel-Erzählung "Füttere mich" wird die Geliebte in einem Metallsarg zu sechst fortgetragen, immerhin hat diese emotionale Hingabe zu Lebzeiten das Körpergewicht auf 178 Kilo schnellen lassen.

In einer anderen Geschichte genügt die bloße Selbstberührung, um das Fleisch zwischen den Fingern hervorquellen zu lassen, die Folge sind Frust und Lebensunlust.

In all diesen Geschichten sind die Körper aus den Fugen geraten oder vor Dürre in sich selbst zusammengefallen. Dabei werden die Figuren als physikalische Kreaturen dargestellt, die mit ihren diversen Körperöffnungen spielen, sie verstopfen oder sich daraus entleeren, ohne jeweils ein echtes Gefühl mit sich selbst zu entwickeln.

Quasi als Verankerung in der höheren Kulturgeschichte sind die erste und die letzte Erzählung gedacht. "Wo wir sind" berichtet lakonisch von Sequenzen, worin scheinbar absichtslos die Menschen ihren Körper platzieren und hoffen, dass ein Stück Heimat daraus wird. Bezeichnend auch dieses schöne Motto von Franz Dobler: "Heimat ist da, wo man sich aufhängt".

"Wer wir sind" handelt von der Geschichte der Vorfahren, wundersam ist an der Urgroßmutter der Überlebenskampf durch die Zeiten festgemacht. Das waren noch Zeiten, als man ein Huhn umbringen musste, um das nächste Jahr zu erleben.

Cornelia Travnicek erzählt quasi die Hinterseite der Koch-Shows. In ihren Erzählungen gibt es wenig zu lachen, und auch das Essen wird eher zu einem Unglück, als dass sich daraus etwas Lustvolles ergeben könnte. Vielleicht sollten wir weniger Kaumasse in uns hineinstopfen und dafür mehr Gedanken, heißt so eine Überlegung. Die Anti-Helden kämpfen dabei wie verrückt um sich selbst und nehmen uns Leser immer wieder in dieses seltsame Reich der Verfressenheit mit.

Cornelia Travnicek, Fütter mich. Erzählungen.
Innsbruck: Skarabaeus 2009. 116 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-7082-3272-0.

 

Weiterführende Links:
Skarabaeus-Verlag: Cornelia Travnicek, Fütter mich
www.corneliatravnicek.com

 

Helmuth Schönauer, 10-09-2009

Bibliographie

AutorIn

Cornelia Travnicek

Buchtitel

Fütter mich

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

116

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-7082-3272-0

Kurzbiographie AutorIn

Cornelia Travnicek, geb. 1987 in St. Pölten, lebt in Traismauer und Wien.

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