Werner Kofler, Zu spät

Buch-Cover

Die genaueste literarische Zeitangabe lautet wohl "zu spät". Letztlich kann alles zu spät sein, eine Maßnahme, eine Liebeserklärung, ein Rettungseinsatz.

Werner Kofler setzt ein furioses literarisches Ich an den Schreibtisch und lässt es wüten nach dem Motto: "An meinen Schreibtisch lasse ich nur mich und sonst niemanden!" Der Stoff ist ungeheuerlich, Erinnerungen an literarische Freunde, Zitate aus halb vergessenen Werken, Schlagzeilen der skurrilen Art und ein Lebenssaft, der stündlich dünner wird, reißen das Ich von einem Schreibansatz in den nächsten.

Äußerlich ist die Handlung eingekreist von zwei Zigarettenzügen, aber dazwischen geht der prosaische Rauch auf, als ob ganze Wälder in Brand stünden. Irgendwie türmen sich ganze Konvolute von semantischen Schlingpflanzen auf dem Schreibtisch auf, ranken sich ums Schreiberhirn, von wo aus skurrile Gedankengänge zurückfließen auf die Schreibbühne, auf der noch nichts fertig ist.

Immer wieder brechen Sätze ab, weil sie in die Irre führen, während die Gedanken weiterfließen, werden sie ständig begründet, in Zweifel gezogen, aus dem Verkehr gezogen. Was immer das Ich angeht, es ist zu spät und zum Scheitern verurteilt.

Dennoch lassen sich in den Erzählstümpfen Fragmente von Handlungen und Bildern erkennen. Die Karriere des Ich ist anders verlaufen, als es sich dessen Vater gewünscht hat, nichts ist es geworden mit einem Kaufmannsladen in Villach, nichts ist es geworden mit einer bürgerlichen Karriere, im Gegenteil, die Hinterbliebenen in Villach sind ihrerseits auf Irrwege gekommen.

Wenn man die Kraft hätte, müsste man nachhelfen und dem einen oder anderen eine vergiftete Praline schicken, wie sie der Bürgermeister von Spitz seinerzeit bekommen hat. Aber nichts da, es ist alles zu spät. Letztlich ist der Herbst eingetreten und die letzte Zigarette geht in Rauch auf.

Im kurzen zweiten Text "Tiefland, eine Obsession" geht es um den Film Leni Riefenstahls, den sie sie in der Nazizeit mit Roma aus dem Lager Maxglan gedreht hat. Die Darsteller wurden nach dem Film von den Nazis umgebracht, aber die Hauptdarsteller Bernhard Minetti und Leni Riefenstahl wurden bei der Uraufführung 1953 gefeiert. Anscheinend war schon wieder alles in Nazihand, das Publikum, der Film, die Darsteller.

Werner Kofler entwickelt seine Texte völlig unverkleidet, während man sie liest, entstehen sie nackt und ungeschminkt, der Leser bleibt rasend vor Wirklichkeitssucht zurück. Und siehe, wenn sich der literarische Rauch verzogen hat, steht man als Leser in einer neuen Wirklichkeit da.

Werner Kofler, Zu spät. Tiefland, Obsession. Prosa.
Wien: Sonderzahl 2010. 70 Seiten. EUR 14,-. ISBN 978-3-85449-338-9

 

Weiterführende Links:
Sonderzahl-Verlag: Werner Kofler, Zu spät
Wikipedia: Werner Kofler

 

Helmuth Schönauer, 23-08-2010

Bibliographie

AutorIn

Werner Kofler

Buchtitel

Zu spät. Tiefland, Obsession

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Sonderzahl

Seitenzahl

70

Preis in EUR

14,00

ISBN

978-3-85449-338-9

Kurzbiographie AutorIn

Werner Kofler, geb. 1947 in Villach, lebt seit 1968 als freier Autor in Wien.

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