Clara Asscher-Pinkhof, Sternkinder NA

Buch-Cover

Judenverfolgung und Holocaust zählen wohl zu den schrecklichsten Abschnitten der österreichischen und deutschen Geschichte und sind aufgrund ihrer Dimension und Grausamkeit auch heute noch nur schwer verständlich.

Clara Asscher-Pinkhofs Zeitdokument Sternenkinder führt uns die Stationen der Verfolgung und Schrecken aus der Sicht der Kinder vor Augen, die meist nicht wirklich verstehen konnten, was mit ihnen und ihren Eltern geschah. Aufgrund der Darstellung der Einzelschicksale erhält das überdimensionale Leid, das Menschen zugefügt worden ist, wieder ein persönliches, individuelles Gesicht und damit eine Dimension, mit der sich die junge Leserinnen und Leser identifizieren können und die sie betroffen macht.

Die Aufzeichnungen der niederländischen Lehrerin Clara Asscher-Pinkhof, die ihre Kinder bis in die Konzentrationslager begleitet hat sind keine leichte Kost und eine vor allem emotional sehr anspruchsvolle Literatur. Die 'Sternenkinder' waren Kinder, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft einen gelben Davidstern auf ihrer Kleidung tragen mussten, womit ihnen ein Leben wie anderen Menschen abgesprochen wurde.

Wir erleben einerseits die überwältigende Angst einer alten Frau bei einer Razzia in der Judenstraße in Amsterdam und gleichzeitig die Sorglosigkeit, mit der Kindern die Gefahr verborgen bleibt, mit der sie spielen und nicht verstehen, dass Leute plötzlich verschwinden. Wir erleben auch das persönliche Leid eines jüdischen Mädchens, das nicht verstehen kann, weshalb es über Nacht nicht mehr ihre alte Schule mit ihren Freundinnen besuchen. Als Leserinnen und Leser sind wir betroffen, leiden wir mit, auch wenn wir wissen, dass alles noch schlimmer, viel schlimmer werden wird.

Diese sukzessive Zunahme des Grauens spiegelt sich in den vier großen Abschnitten des Buches wieder. "Sternstadt" schildert das Leben in den Judenvierteln Amsterdams Mitte 1942. Wir erleben wie Kinder mit den unzähligen Vorschriften und Verboten umgehen, mit denen Juden schikaniert worden sind, sei es dem Verbot Kinos, Theater, Sportplätze, Schwimmbäder und Parks zu betreten oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen u.ä.

Im zweiten Abschnitt "Sternenhaus" steht die frühere "Hollandsche Schouwburg' im Mittelpunkt, von wo aus die Deportation von Juden über Westerbork ausging. In der Nacht werden die jüdischen Kinder, Kranken, Alten und Gebrechlichen anfangs abtransportiert, um es vor den Bewohnern der Stadt zu verbergen. Mit der Zeit werden die Juden aber auch am helllichten Tag abgeholt werden. Aber trotz aller Schrecken, gelingt es den Menschen dem Alltag ihre kleinen Freuden abzugewinnen.

Er weiß nicht, dass dieses Sternhaus die Hölle ist. Wie sollte er es auch wissen? Er hat ja seine Mundharmonika dabei, und solange er sie hat, ist überall der Himmel. (77)

Der dritte Abschnitt "Sternwüste" spielt im Durchgangslager Westerbork, wobei den Deutschen nur wenig daran lag, die jüdischen Bewohner am Leben zu erhalten. Von Westerbork aus begannen ab Juli 1942 die Deportation von über hunderttausend Juden in den Osten, die meisten kamen direkt nach Ausschwitz und Sobibór. Das Leben im Durchgangslager war durch den alltäglichen Schrecken gekennzeichnet, sei es nun beim Besuch der abstoßenden Toiletten oder beim Erleben der Banalität des Todes.

Ich versuche das Leben so freundlich zu akzeptieren, wie mein Vater den Tod akzeptiert hat. Denn nun, da ich den Tod in seiner Sanftheit erlebt habe, fällt es mir schwer, mich wieder dem Leben zuzuwenden. (147)

Im letzten Abschnitt "Sternhölle" erleben wir den Abtransport in da's norddeutsche Konzentrationslager Bergen-Belsen, das 1943 als "Austauschlager' eingerichtet worden war, um Gefangene mit britischen Papieren gegen deutsche Staatsbürger auszutauschen. 222 jüdische Gefangene, darunter auch Clara Asscher-Pinkhof, kommen schließlich, im Austausch gegen deutsche Gefangene, nach Palästina.

Clara Asscher-Pinkhofs Bericht über ihre eigenen Erlebnisse berührt und schockiert in seiner detaillierten Schilderung des Alltags von Kindern. Wir erleben wie Kinder, nach Ursachen danach suchen, weshalb sie über Nacht als wertlos abgestempelt werden. Wir erleben die Ängste, Schrecken und Resignation junger Kinder, aber auch ihre Hoffnung und kleinen Freuden inmitten des Grauens.

Clara Asscher-Pinkhofs "Sternkinder NA' ist ein Zeitzeugnis, das niemanden unberührt lässt, das den jungen Leserinnen und Lesern die Banalität des Grauens nachvollziehbar erleben lässt. Eine Pflichtlektüre für alle Jugendlichen, die sich mit dem Thema "Nationalsozialismus und Holocaust' auseinander setzen wollen.

Clara Asscher-Pinkhof, Sternkinder NA. Übers. v. Mirjam Pressler, ab 12 Jahren
Hamburg: Dressler-Verlag 2011, 288 Seiten, 13,40 EUR, ISBN 978-3-7915-2624-9

 

Weiterführende Links:
Dressler-Verlag: Clara Asscher-Pinkhof, Sternkinder NA
Wikipedia: Clara Asscher-Pinkhof
Wikipedia: Mirjam Pressler

 

Andreas Markt-Huter, 05-05-2011

 

 

Bibliographie

AutorIn

Clara Asscher-Pinkhof

Buchtitel

Sternkinder NA

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Dressler-Verlag

Übersetzung

Mirjam Pressler

Seitenzahl

288

Preis in EUR

13,40

ISBN

978-3-7915-2624-9

Lesealter

Altersangabe Verlag

12

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Asscher-Pinkhof wurde 1896 in Amsterdam geboren, Lehrerin und lebte bis 1941 in Groningen. Nach der deutschen Besetzung Hollands musste sie nach Amsterdam überzusiedeln, wo sie jüdische Kinder unterrichtete. Mit einer Gruppe jüdischer Familien, dann nur mit deren Kindern teilte Asscher-Pinkhof den Weg durch die Konzentrationslager bei Drentse, Westerbork, zuletzt Bergen-Belsen. Sie überlebte die Konzentrationslager und starb 1984 in Israel.

Mirjam Pressler wurde in Darmstadt geboren und wuchs bei Pflegeeltern auf. Sie studierte an der Akademie für Bildende Künste in Frankfurt und Sprachen in München. Sie hat drei erwachsene Töchter und lebt heute als freie Autorin und Übersetzerin bei München.