Lesen in Tirol - Öffentliche Bibliotheken: Die Stadtbücherei Innsbruck, Teil 1

Wer in Innsbruck einen der zahlreichen Innenhöfe betritt, findet sich urplötzlich in einer anderen Welt wieder, an der die Geschäftigkeit der Außenwelt mit all ihrer Hektik und ihrem Straßenlärm abzuprallen scheint. Eine solche Insel der Ruhe scheint wie geschaffen für eine Bibliothek.Die Stadtbücherei Innsbruck hatte durch ihre Übersiedlung das Glück, in einem dieser ruhigen und schönen Innsbrucker Innenhöfe einen neuen Standort zu finden.

Die Stadtbücherei Innsbruck ist als kultureller und sozialer Treffpunkt aus Innsbruck nicht mehr wegzudenken. Nach der Übersiedlung vom Burggraben in die Collingasse 5 vor knapp fünf Jahren, gelang es nicht nur die Anzahl der angebotenen Medien zu erhöhen, sondern das gesamte Erscheinungsbild der Bücherei völlig neu auszurichten. Die Stadtbücherei Innsbruck ist heute als moderner Dienstleistungsbetrieb, der sich auf die Wünsche seiner Kunden ausrichtet, richtungsweisend für das Bibliothekswesen in Tirol. Ausgestattet mit moderner Technik zur Literaturrecherche und -bestellung können Bücher, sowohl von der Bücherei als auch von zu Hause aus, gesucht und bestellt werden. Die Stadtbücherei Innsbruck ist für Tirol eine Ausnahmeerscheinung, zählt sie doch zu den wenigen Büchereien in Tirol, in denen zehn BibliothekarInnen hauptberuflich arbeiten.

Im Angebot der Stadtbücherei befinden sich derzeit 31.000 Bücher, 95 verschiedene Zeitschriften , 800 CD-Roms, 2.100 Hörbücher (Bücher auf CD oder MC), 130 Spiele, 700 DVDs und 650 Musik-CDs. Als zusätzliches Service werden den Kundinnen und Kunden vier Internetplätze, Kopiergeräte, drei Katalogabfrageplätze und ein Arbeitsplatz für Textverarbeitung bereitgestellt. Ein weiteres Service ist die zweimal jährlich erscheinende Zeitschrift Seitenwechsel?, die von der Stadtbücherei kostenlos angeboten wird. Hier finden sich Besprechungen aktueller Bücher und Medien, ein Veranstaltungskalender der Stadtbücherei und Artikel zu einem Literaturthema. Die einzelnen Ausgaben der Zeitschrift Seitenwechsel können auch über Internet aufgerufen werden.

hspace=0
Mit Hilfe des Internet lassen sich Bücher und andere Medien der Stadtbücherei bequem von zu Hause aus finden und reservieren.

 

*  *  *  *  *

 

Lesen in Tirol führte mit Kathrin Mader, der Leiterin der Stadtbücherei Innsbruck, ein ausführliches Interview. Der zweite Teil des Interviews wird am 24. Jänner und der abschließende dritte Teil am 31. Jänner 2005 veröffentlicht.

 

Die Stadtbücherei Innsbruck, Teil 1

 

Lesen in Tirol: Die Stadtbücherei Innsbruck feierte kürzlich ihr 5jähriges Bestehen in der Colingasse. Was hat sich durch den Umzug geändert?

Kathrin Mader: Durch den Umzug der Stadtbücherei in den neuen Bau in die Colingasse hat sich natürlich alles verändert. Früher befand sich die Stadtbücherei am Burggraben im 1. Stock und konnte nur über eine schmale Holztreppe erreicht werden. Ein Mensch mit Behinderung oder Eltern mit Kinderwagen hatten fast keine Möglichkeit die Bücherei zu besuchen.

Allein durch die Attraktivität unseres neuen Standortes konnten wir in den letzten fünf Jahren die Anzahl der Entlehnungen mehr als verdoppeln. Seit ein paar Jahren haben wir auch begonnen, die Besucher der Bücherei mittels eines Sensors zu zählen, da diese Zahl einfach weniger abstrakt erscheint, als die Anzahl der Entlehnungen. Wir sind in diesem Jahr auf über 120.000 Besucher gekommen. Viele Besucher, oft Pensionisten oder Frauen mit Kindern, kommen bereits um 10 Uhr in die Bibliothek, holen sich einen Kaffee, lesen die Zeitung und genießen so die ein bis zwei Stunden bis zum Mittagessen. Manche davon leihen sich gar nie ein Buch aus.

Die Anzahl der Besucher ist in den letzten fünf Jahren sicherlich um 150% gestiegen, was natürlich in Zusammenhang mit dem Ambiente der neuen Bibliothek steht. Früher war die Bibliothek eine Ansammlung umgebauter Büros, ohne Attraktivität, die immer wieder um ein Räumchen erweitert worden waren. Aber es ist einfach schwer möglich, aus nichts etwas tolles zu machen. Es war z.B. nicht möglich Veranstaltungen durchzuführen, weil nur ein winziger Raum zur Verfügung stand. Bei Kinderveranstaltungen mit 30 Kindern hatte man das Gefühl, die Wände würden sich biegen. Beim Bau der neuen Bibliothek konnten wir dem Architekten bereits bei der Planung unsere Wünsche und Erfordernisse weitergeben, wie z.B. dass die Bücherei auch ein Veranstaltungsort werden soll. Wir haben jetzt, verglichen mit der alten Bücherei, viel mehr Platz. Natürlich hat man immer zu wenig Platz, aber trotzdem: kein Vergleich zu früher.

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Ausleihe in den letzten Jahrzehnten verändert?

Kathrin Mader: In den frühen siebziger Jahren gab es in der Stadtbücherei Innsbruck noch die Regelung, dass nur drei Bücher ausgeliehen werden konnten, wovon nur eines ein Roman sein durfte. Natürlich war der Bestand damals viel kleiner und eine gewisse Beschränkung sicherlich notwendig, aber trotzdem kann man sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Bis 1970 war die Bücherei noch als Thekenbücherei eingerichtet. Anhand von Inhaltskarten der einzelnen Bücher z.B. bei Romanen mussten sich die Benützer informieren, ob ihnen das Buch gefällt oder nicht. Das Buch selbst haben sie nicht in die Hand bekommen.

In Salzburg gab es bis 1980 noch eine Thekenbücherei. Der Ansatz stammt noch aus der Zeit der Volksbücherei, denen in der Nazizeit ein großer Stellenwert eingeräumt worden ist. In diesem alten bevormundenden pädagogischen Ansatz stand das sogenannte gute Buch?, was immer das auch sein mag, im Mittelpunkt. Heute gibt es einen pädagogischen Ansatz nur mehr insofern, dass natürlich nicht Medien an Kinder oder Jugendliche weitergegeben werden, die für die entsprechende Altersgruppe ungeeignet sind.

hspace=0
Kathrin Mader und ihrem Team ist es gelungen, die Stadtbücherei als moderne und zeitgemäße Kultur- und Dienstleistungseinrichtung zu etablieren. Foto: Markt-Huter

 

Derzeit haben wir eine Ausleihbegrenzung von 10 Medien pro Person. Bei unserem derzeitigen Stand von ca. 39.000 Medien ist es notwendig, den Verleih zu reglementieren und dadurch sicherzustellen, dass unserem Publikum auch beliebte Bücher in einem vernünftigen Zeitraum zur Verfügung stehen.

Seit zwei Jahren führen wir DVD?s im Sortiment, wovon im Augenblick mindestens 2/3 ständig ausgeliehen sind. Wir sehen uns hier wohl oder übel genötigt, die Anzahl der auszuleihenden DVD?s zu beschränken, um allen BenutzerInnen ein Angebot zur Verfügung zu stellen. Es ist schließlich nicht besonders attraktiv, wenn auf den Regalen nur mehr 2 oder 3 DVDs zu finden sind.

Lesen in Tirol: Wie hat sich das Verhältnis der Stadtpolitik zur Stadtbücherei entwickelt?

Kathrin Mader: Dass wir die neue Stadtbücherei in der Colingasse haben, ist selbstverständlich der Politik zu verdanken. Bereits vor zwanzig Jahren gab es immer wieder Pläne, die Stadtbücherei in irgendwelchen Räumen eines geplanten neuen Rathauses unterzubringen. Wir hatten schließlich das Glück, dass die Stadtbücherei ihre Räumlichkeiten im Burggraben rasch zu verlassen hatte, weil das Haus verkauft worden war. Es mussten nun unter großem Zeitdruck neue Räumlichkeiten gefunden werden. Es war vor allem die damalige Kulturreferentin Hilde Zach, die sich sehr darum bemüht hat, für uns eine gute Unterbringung zu finden.

Es kamen somit mehrere glückliche Umstände bei der Neugründung der Stadtbücherei zusammen: es gab die politische Bereitschaft der Bibliothek einen wichtigen Stellenwert zu geben, es war Geld vorhanden und die neue Bibliothek musste innerhalb von eineinhalb Jahren gebaut werden. Der politische Wille zu einer Aufwertung der Stadtbücherei war vorhanden und auch jetzt noch ist das Interesse der Stadt Innsbruck an unserer Bücherei sehr groß. Gerade von der Leiterin des Kulturamtes Mag. Birgit Neu erfahren wir sehr viel an Unterstützung. Es ist sehr wichtig, von politischer Seite nicht allein gelassen zu werden, gerade um z.B. im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit Akzente setzen zu können.

Lesen in Tirol: Welche Akzente meinen Sie damit konkret?

Kathrin Mader: Letztes Jahr veranstaltete der Stadtmagistrat einen Tag der offenen Tür, an dem wir, als Teil davon, natürlich auch teilgenommen haben. Wir haben als Veranstaltungsaktion geplant, allen Besuchern an diesem Tag einen gratis Büchereiausweis zu geben. Das wurde von der Stadt mitgetragen, was ja eine nicht unerhebliche finanzielle Sache war. An diesem Tag haben sich beinahe 1000 Leute in der Stadtbücherei angemeldet. Wenn man nur die Minimalgebühr von 7 Euro annimmt, sind das zumindest 7.000 Euro. Es gibt natürlich wenig Werbeaktionen mit einer derartigen Effizienz, aber trotzdem war es sehr erfreulich, dass die Stadt diese Aktion mit einer großen Begeisterung mitgetragen hat.

Lesen in Tirol: Wird die Stadtbücherei von vielen Politikern besucht?

Kathrin Mader: Nun, von vielen zu sprechen, wäre sicherlich übertrieben. Es kommen immer wieder ein paar Gemeinderäte als ständige Besucher. Die Frau Bürgermeister kommt, wenn es ihr irgendwie möglich ist zu Veranstaltungen. Es ist aber wichtig, dass von politischer Seite gesehen wird, was in der Bücherei alles passiert. Weil wenn die Politiker nichts wissen, wird alles schwieriger. Man darf sein Licht nur ja nicht unter den Scheffel stellen.

hspace=0
Die Nachfrage nach Hörbüchern und Filmen auf DVD hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie hat sich der Medienbestand in den letzten Jahren entwickelt?

Kathrin Mader: Dazu muss ich ein wenig ausholen. Früher gab es in der Stadtbücherei nur Bücher und Zeitschriften. Gegen Mitte der 90iger Jahre haben wir den Bestand in Richtung CD-Roms ausgebaut und jahrelang erweitert. Die CD-Rom war damals das boomende Medien, von dem es auch geheißen hat, dass es das Buch ablösen würde. Ich kann mich noch erinnern, dass 1996 auf der Frankfurter Buchmesse alle noch der Meinung waren, dass Bücher zukünftig von einer CD-Rom gelesen werden. Mittlerweile ist das Interesse an CD-Roms völlig zurückgegangen, so dass wir nur mehr einen Bestand von Lexika wie Encarta oder Brockhaus, Sprachkursen und Kinderlernsoftware weiterführen. Vor knapp 4 bis 5 Jahren wurde der Bestand um Hörbücher erweitert und zuletzt kamen die DVDs hinzu. Wobei alle Medien für den Erwachsenen- und Jugendbereich eingerichtet sind.

Lesen in Tirol: Welches Medium ist derzeit besonders begehrt?

Kathrin Mader: Derzeit ist die Nachfrage an DVDs besonders groß. Für unseren Bestandsaufbau sind wir von der Überlegung ausgegangen, keine Filme anzuschaffen, die aktuell im Kino spielen. Es ist ja nicht unsere Absicht, Videotheken Konkurrenz zu machen, sondern Filme anzubieten, die in einer Videothek eben nicht erhältlich sind. Wir konzentrieren uns vor allem auf Filmklassiker, auf Filme die abseits der großen Kinos gezeigt werden, Literaturverfilmungen oder Filme berühmter Schauspieler wie z.B. Marlon Brando. Alles andere ist einfach zu kurzlebig. Obwohl wir, wie gesagt, keine Main-Stream-Filme anbieten ist, die Nachfrage derzeit extrem groß. Unser Bestand von derzeit ca. 700 DVDs ist im Vergleich zur Nachfrage immer noch zu wenig.
Aber auch die Nachfrage nach unseren Hörbüchern bleibt nach wie vor ungebrochen.

Lesen in Tirol: Ist die Nachfrage nach Büchern durch die neuen Medien zurückgegangen?

Kathrin Mader: Nein, es lässt sich nicht sagen, dass die Buchentlehnungen zurückgegangen sind. Vielmehr werden die neuen Medien zusätzlich zu den Büchern ausgeliehen. Wir haben die Ausleihmöglichkeiten aber auch an die neuen Angebote angepasst. Immer wenn ein neues Medium in unseren Bestand aufgenommen worden ist, haben wir die Zahl der Medien erhöht, die maximal ausgeliehen werden können. Es soll einfach niemand vor die Wahl gestellt werden: Nehme ich jetzt z.B. ein Buch oder eine DVD? Die Ausleihe von DVDs müssen wir derzeit aber auf drei beschränken, weil hier unser Bestand einfach noch zu klein ist.

hspace=0
Den Buch- und Medienbestand einer Bücherei so aktuell wie möglich zu halten ist für die Stadtbücherei eine Prestigefrage. Foto: Markt-Huter

Die Intention der Bücherei ist es selbstverständlich immer, vom Bestand so aktuell wie möglich zu sein. Das ist ganz besonders wichtig. Dazu muss regelmäßig eine Bestandskontrolle durchgeführt werden, um zu erkennen: Was geht und was geht nicht? Es ist aber nicht immer so, dass alles, was aktuell nicht ankommt, auch in Zukunft nicht ankommen muss, weil sich vieles beeinflussen lässt. Oft kommen bestimmte Medien einfach nicht gut an, weil sie veraltet sind. Es ist ähnlich wie in einem Geschäft, wo der Präsentation auch eine ganz zentrale Rolle zukommt. Was aber bleibt, ist das Bemühen, topp aktuell zu sein. Das ist für eine Bibliothek einfach eine Prestigefrage. Bestseller müssen dabei in so großer Zahl vorhanden sein, dass sie allen Lesern auch in absehbarer Zeit zur Verfügung gestellt werden können.

Lesen in Tirol: Nach welchen Kriterien erfolgt der Einkauf von Medien?

Kathrin Mader: Für den Einkauf gibt es mehrere Kriterien. Zunächst einmal: was ist aktuell, was findet sich auf den Bestsellerlisten oder wird in den Medien besprochen. Aber eine Bibliothek lebt eben nicht nur von Bestsellern. Deshalb gibt es eigene Bibliothekszeitschriften, wo bibliotheksbezogene Rezensionen angeboten werden, die sich von literarischen Rezensionen unterscheiden. Hier gibt es Empfehlungen, ab welchem Medienbestand ein bestimmtes Buch empfohlen wird. Schließlich bieten wir unseren Kunden auch noch die Möglichkeit, in einem Buch ihr Wunschbuch einzutragen.

Diese Wünsche werden fast alle erfüllt, außer das Buch erweist sich einfach als zu teuer oder vom Titel her als so exotisch, dass es nur für diese eine Person von Interesse sein dürfte. Selbstverständlich werden auch keine Medien gekauft, die sich vom Inhalt her nicht mehr vertreten lassen, was aber fast nie vorkommt.

 

 

*  *  *  *  *

 

Weiterführende Links:
Stadtbücherei Innsbruck

 

Andreas Markt, 17-01-2005

Redaktionsbereiche

Lesen