Lesen in Tirol - Öffentliche Bibliotheken: Die Öffentliche Bibliothek der Gemeinde Thaur, Interview Teil 2

Mitte 2004 übersiedelte die Öffentliche Bibliothek Thaur von ihren Räumlichkeiten im Alten Gericht in die neuen Räume im Gemeindeamt. Ulrike Lechner berichtet im 2. Teil des Interviews von der Übersiedlung der Bücherei und von den Veränderungen im Büchereiwesen in den letzten Jahrzehnten.

Lesen in Tirol führte mit Ulrike Lechner, Leiterin der Öffentlichen Bibliothek Thaur, ein ausführliches Interview. Dabei kamen die Errichtung der neuen Bücherei, die Entwicklung des Bibliothekswesens in Thaur und die Probleme einer Öffentlichen Bücherei in einer kleineren Gemeinde ebenso zur Sprache, wie das Medienangebot und die Ziele der Öffentlichen Bibliothek Thaur in der näheren Zukunft.

 

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Die Öffentliche Bibliothek der Gemeinde Thaur, Teil 2

 

Lesen in Tirol: Seit Sommer 2004 befindet sich die Öffentliche Bibliothek Thaur in den neuen Räumlichkeiten im Gemeindamt in Thaur. Welche Gründe waren ausschlaggebend für die Übersiedlung der Bücherei?

Ulrike Lechner: Mehr als zehn Jahre lang wollte man die Räumlichkeiten der Bücherei im Alten Gericht? frei bekommen. Sie sollten als Garderobe und Erweiterung für die Bar umgebaut werden. Ein rein kommerzieller Gedanke von Seiten der Vereine also, die ja ihre größten Gewinne durch den Barbetrieb erzielen. Unsere schöne alte Bücherei konnten wir nur deshalb halten, weil wir vehement den Standpunkt vertreten haben, dass eine Übersiedlung der Bücherei für uns nur in Frage kommt, wenn uns bessere Räumlichkeiten angeboten werden. Um dem ganzen mehr Nachdruck zu verleihen, haben wir auch mit einem Bericht in den Medien über die Kultur in Thaur? gedroht.

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Die alte Bücherei Thaur teilte sich die Räumlichkeiten im Alten Gericht mit mehreren Vereinen im Dorf. Foto: Markt-Huter

 



Als schließlich die Post die Räumlichkeiten im Gemeindehaus verließ, kam der Vorschlag, die Bücherei hier unterzubringen. Erste Gespräche zwischen der Gemeinde und der Bücherei über eine Übersiedlung fanden im Juli 2003 statt. Die Gemeinde ging davon aus, dass wir die Einrichtungsgegenstände der alten Bücherei einfach mitnehmen und wieder aufstellen sollten. Nicht bedacht wurde dabei, dass einige Regale den Räumlichkeiten der alten Bücherei angepasst waren und der Rest aus dem Jahr 1972 stammte und schon die erste Übersiedlung aus dem Kindergartengebäude hinter sich hatte.

Die Gemeinde war schließlich bereit, uns die Neueinrichtung der Bücherei zu finanzieren. Dazu wurde ein von uns und EKZ erarbeitetes Konzept angenommen. Der Beschluss für die Übersiedlung und den Umbau der Bücherei erfolgte dann innerhalb einer Woche in der letzten Gemeinderatssitzung vor der Gemeinderatswahl.

Lesen in Tirol: Wie stellt sich die Übersiedlung für Sie im Nachhinein dar?

Ulrike Lechner: Meine Forderung, dass für die neue Bücherei mindestens 75 m2 Fläche zur Verfügung stehen müssen, konnten erfüllt werden. Die neuen Räumlichkeiten liegen mit ihren 90 m2 bestimmt immer noch an der Untergrenze für die Größe einer Bücherei.
Aber obwohl wir in den alten Räumlichkeiten mehr Platz für den Bereich Belletristik hatten, wirkt der neue Raum doch großzügiger und heller. Auch die Lage der neuen Bücherei ist im Grunde ideal. Einziger Nachteil ist, dass sich die Schule nicht mehr in unmittelbarer Nähe befindet und dadurch Schulkinder die Bibliothek bis jetzt weniger zahlreich besuchen als früher.

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Die neue Bibliothek zeichnet sich durch ihr helles Erscheinungsbild aus. Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Hat sich das Interesse der Gemeinde am Büchereiwesen durch die neue Bibliothek verstärkt?

Ulrike Lechner: Durch unsere Lage sind wir einfach mehr in Sichtweite. So hat uns eine Gemeinderätin, die bereits die zweite oder dritte Periode im Gemeinderat verbringt, vor einer Woche zum ersten Mal besucht. Vom Gemeinderat sind derzeit drei als Bücherei-Benutzer gemeldet.

Von Seiten der Gemeinde Thaur wurde an uns der Wunsch herangetragen, die Bücherei in einen Verein umzuwandeln. Nach Gesprächen zu diesem Thema auf der Diözesanen Büchereitagung und beim Herbstausflug der Interessensgemeinschaft der Bibliothekare Tirols haben alle von einem solchen Schritt abgeraten. Es ist mir schließlich gelungen, unseren Bürgermeister durch stichhältige Argumente davon zu überzeugen, dass eine Bücherei eine Bildungseinrichtung der Körperschaften sein und bleiben soll. Man muss bei solchen Dingen sehr aufpassen. Bei der Gründung eines Vereins würde nämlich praktisch alles von der Gemeinde auf den Verein übertragen.

Lesen in Tirol: Wie würden Sie den Stellenwert der Öffentlichen Bücherei in der Gemeinde im Vergleich mit den Vereinen beurteilen?

Ulrike Lechner: Der Stellenwert der Bücherei im Gemeinderat ist sehr gering. Bei der Entscheidung, die Bücherei zu übersiedeln, ging es ja nie um das Wohl der Bücherei, sondern immer nur darum, in unseren alten Räumlichkeiten Platz für die Vereine zu schaffen. Ein ehemaliger Gemeinderat hat mir einmal erklärt, dass wir einfach zu wenig Forderungen an die Gemeinde stellen, um wichtig genommen zu werden. In Thaur denkt man bei Kultur an Schuhplattler und Schützen und das war?s dann. Bücher oder Lesen haben dabei keinen Platz. Ich selbst wurde ja schon mit der Aussage konfrontiert: Hast du nichts Besseres zu tun, als zu lesen?

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Ulrike Lechner wurde schon gefragt: Hast Du nichts besseres zu tun, als zu lesen?
Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Büchereiwesen in Thaur viel geändert?

Ulrike Lechner: Ja, sehr viel! Ich bin mittlerweile seit 1973 im Büchereiwesen in Thaur tätig, also schon ein Urgestein. Früher war das Büchereiwesen eine Tätigkeit von Liebhabern, wo jeder nach eigenem Empfinden gearbeitet hat. Heute wird die ganze Arbeit professionell betrieben. Als besonders positiv hat sich die Ausbildung der BibliothekarInnen auf das Büchereiwesen ausgewirkt. Dies halte ich für einen ganz wichtigen Punkt. Wir selbst hatten kurzzeitig darunter zu leiden, dass die Bücherei von jemandem geleitet wurde, der keine Ahnung vom Büchereiwesen hatte.

Dazu möchte ich ein wenig ausholen. 1995 wurde der mittlerweile verstorbene, Altbürgermeister von Thaur mit der Leitung der Bücherei betraut.. Obwohl er bis dahin keinerlei Erfahrung mit Büchereien hatte, glaubten auch wir damals, dass seine guten Kontakte zur Politik der Bücherei finanzielle Vorteile bringen würden. Dieser Schuss ging aber leider nach hinten los. Er vertrat nämlich die Meinung, dass keine neuen Bücher mehr gekauft werden müssten, sondern dass eine Ergänzung des Bestandes durch alte Bücher der Dorfbewohner ausreichend sei. Nach einem halben Jahr hat das Bücherei-Team die Leitung selbst übernommen. Dies war gerade rechtzeitig, bevor sowohl das Team am Ende gewesen wäre als auch die LeserInnen endgültig ausgeblieben wären.

Nachdem aber für die Bücherei ein Ansprechpartner gefordert wurde, kam vom Pfarrer der Vorschlag, eine reifere männliche Persönlichkeit aus Kirchenkreisen mit der Leitung zu betrauen. Dagegen wehrte sich jedoch unser Team vehement, da wir nicht wollten, dass die Leitung wieder von jemandem übernommen wird, der keine Ahnung vom Büchereiwesen hat. Unser Protest hatte zur Folge, dass sich die Kirche aus der gemeinsamen Trägerschaft für die Bücherei verabschiedet hat. Es wurde die Meinung vertreten, dass die Bücherei von einem Mann geleitet werden muss, weil Frauen eine Aufsicht brauchen.

Lesen in Tirol: Wie gestaltet sich die finanzielle Situation für die Bücherei Thaur?

Ulrike Lechner: Unter der Leitung des Altbürgermeisters wurden die finanziellen Angelegenheiten der Bücherei direkt der Gemeinde übertragen. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten, die aber schon lange behoben sind, funktioniert die Verwaltung durch die Gemeinde aber tadellos und ist sehr angenehm. Die öffentlichen Mittel sind teilweise weniger geworden. Vor allem das Land hat seine finanzielle Förderung sukzessive zurückgenommen. Früher wurden 25% des Bucheinkaufs einer Bücherei durch das Land finanziert. Vom Bund hingegen hat sich die Förderung ein wenig erhöht. Durch die Neuregelung der finanziellen Förderung mussten wir die Öffnungszeit der Bibliotheken von vier auf acht Stunden erhöhen, um auch weiterhin die Subventionen zu erhalten. Die Ausleihen haben bei uns seither nur wenig zugenommen, sondern wurden nur zeitlich verlagert.

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Lesecke der Bibliothek Thaur: Um eine Bücherei erfolgreich zu führen, muss auf die Bedürfnisse der einzelnen BesucherInnen eingegangen werden.
Foto: Markt-Huter

 

Lesen in Tirol: Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek entwickelt, die ja als Landesbibliothek seit 2003 auch die Anliegen der Öffentlichen Bibliotheken betreut?

Ulrike Lechner: Ja was soll ich dazu sagen. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auf eine Tagung, auf Schulungsangebote und auf Schriftliches. Wenn ich früher versucht habe, Buchwünsche der LeserInnen bei der Förderungsstelle zu besorgen, so verweise ich sie heute an die Universitätsbibliothek.

Positive Unterstützung kommt von der Interessensgemeinschaft der BibliothekarInnen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für den Einkauf von Einbänden haben sich die Büchereien in Fritzens, Rum und Thaur zusammengeschlossen, weil beim Kauf einer Menge ab 250 Euro, kein Porto bezahlt werden muss. Wenn bei uns Folien einer bestimmten Einbandbreite ausgegangen sind, konnte uns bis jetzt immer eine andere Bücherei damit aushelfen.

Hier gibt es z.B. von Seiten der Universitätsbibliothek keine Unterstützung, obwohl ich schon mehr als einmal darauf hingewiesen habe. Der Einkauf von Einbandfolien wäre z.B. ein Service, der von den kleinen Büchereien wirklich benötigt würde. Leider wurde dieses Anliegen zwischen dem Land und der Universitätsbibliothek nur hin und her geschoben und schließlich gänzlich fallen gelassen. Das finde ich einfach nicht gut.


Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Gespräch!

 


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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt, 21-02-2005

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