Als Mark Twain eine Reform der deutschen Sprache forderte

Niemand geringerer als der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hat bereits vor mehr als 100 Jahren in einer Rede vor dem Presse-Club in Wien einige ironische Vorschläge zur "Verbesserung und Vereinfachung" der deutschen Sprache vorgetragen.

Mark Twains Kritik am komplizierten Satzbau in so manchen deutschsprachigen Texten hat wahrscheinlich nichts an seiner Gültigkeit verloren, gerade wenn wir uns Gesetzestexte oder manche Sätze aus dem Bereich der Wissenschaft vor Augen halten.

[...] Ich bin ja der treueste Freund der deutschen Sprache - und nicht nur jetzt, sondern von lange her - ja vor zwanzig Jahren schon. Und nie habe ich das Verlangen gehabt, der edlen Sprache zu schaden, im Gegenteil, nur gewünscht, sie zu verbessern; ich wollte sie bloß reformieren. Es ist der Traum meines Lebens gewesen. Ich habe schon Besuche bei den verschiedenen deutschen Regierungen abgestattet und um Kontrakte gebeten. Ich bin jetzt nach Österreich in demselben Auftrag gekommen.

Ich würde nur einige Änderungen anstreben. Ich würde bloß die Sprachmethode - die üppige, weitschweifige Konstruktion - zusammenrücken; die ewige Parenthese unterdrücken, abschaffen, vernichten; die Einführung von mehr als dreizehn Subjekten in einen Satz verbieten; das Zeitwort so weit nach vorne rücken, bis man es ohne Fernrohr entdecken kann. Mit einem Wort, meine Herren, ich möchte Ihre geliebte Sprache vereinfachen, auf dass, meine Herren, wenn Sie sie zum Gebet brauchen, man sie dort oben versteht.

Ich flehe Sie an, von mir sich beraten zu lassen, führen Sie diese erwähnten Reformen aus. Dann werden Sie eine prachtvolle Sprache besitzen und nachher, wenn Sie Etwas sagen wollen, werden Sie wenigstens selber verstehen, was Sie gesagt haben. Aber öfters heutzutage, wenn Sie einen meilenlangen Satz von sich gegeben und Sie sich etwas angelehnt haben, um auszuruhen, dann müssen Sie eine rührende Neugierde empfinden, selbst herauszubringen, was Sie eigentlich gesprochen haben.

Vor mehreren Tagen hat der Korrespondent einer hiesigen Zeitung einen Satz zustande gebracht welcher hundertundzwölf Worte enthielt und darin waren sieben Parenthese eingeschachtelt und es wurde das Subjekt siebenmal gewechselt. Denken Sie nur, meine Herren, im Laufe der Reise eines einzigen Satzes muss das arme, verfolgte, ermüdete Subjekt siebenmal umsteigen.

Nun, wenn wir die erwähnten Reformen ausführen, wirds nicht mehr so arg sein. Doch noch eins. Ich möchte gern das trennbare Zeitwort auch ein bisschen reformieren. Ich möchte niemand tun lassen, was Schiller getan: Der hat die ganze Geschichte des dreißigjährigen Krieges zwischen die zwei Glieder eines trennbaren Zeitwortes eingezwängt.

Das hat sogar Deutschland selbst empört; und man hat Schiller die Erlaubnis verweigert, die Geschichte des hundertjährigen Krieges zu verfassen - Gott seis gedankt. Nachdem alle diese Reformen festgestellt sein werden, wird die deutsche Sprache die edelste und die schönste auf der Welt sein. [...]
Projekt Gutenberg: Mark Twain, Die Schrecken der deutschen Sprache


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Andreas Markt-Huter, 28-11-2005

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