Lyrik der Migration - Südostwind

Im November 2006 wurde der Sammelband Südostwind ? Anthologie der Migration aus Südosteuropa den Balkanländern mit einer Lesung im Innsbrucker Literaturhaus am Inn präsentiert. Mehr als ein Viertel der AutorInnen der ausgewählten Texte der Sammlung leben in Tirol. Sie gewähren einen literarischen Einblick in ihre Welt, die erahnen lässt, welches Potential im Phänomen der Einwanderung versteckt ist.

Das Projekt Südostwind eröffnet mit seiner ausgewählten Lyrik einen Einblick in das künstlerische Schaffen und Denken von Migrantinnen und Migranten aus den Balkanländern, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen haben. Die Texte, die in der jeweiligen Muttersprache der AutorInnen und in deutscher Übersetzung abgedruckt worden sind, geben einen Eindruck von der kulturellen Vielfalt, die sich in Österreich finden lässt und von dem großen Potential, die eine Begegnung zwischen den Kulturen eröffnen kann.

Die 38 AutorInnen des Sammelbands, die aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, dem Kosovo, Kroatien, Serbien, Slowenien, Rümanien und aus Usbekistan stammen, leben derzeit in Wien, Niederösterreich, in der Steiermark und Kärnten; zehn der vertretenen Autorinnen und Autoren sind in Tirol sesshaft. Die berührenden Texte erzählen von Trauer und Tod, von Ängsten im Krieg, von der Entfremdung in einem fremden Land, von Erinnerungen an eine vergangen Zeit und von Fragen an die Zukunft.


Mit musikalischer Unterstützung der Gruppe Orient-Okzident-Express lasen zahlreiche Autorinnen und Autoren am 14. November 2006 im Literaturhaus am Inn ihre Texte aus der neu erschienenen Anthologie Südostwind.
Foto: Südostwind

Der Verlagsleiter Gerald Kurdoglu Nitsche war lange Jahre Lehrer am Österreichischen St. Georgskolleg in Istanbul und ist Gründungsmitglied der Initiative Minderheiten. Als Autor der Briefe aus Istanbul bekannt geworden, gründete er vor einigen Jahren den EYE-Verlag, mit dem er die sogenannte Literatur der Wenigerheiten einem breiteren Publikum zugänglich machen möchte. In seinem Vorwort bemerkt der Verleger und Initiator die Beweggründe für die Veröffentlichung der Anthologie Südostwind:

[...] Die Anthologie der autochthonen Wenigerheiten Österreichische Lyrik ­ und kein Wort Deutsch brachte mich besonders mit der Literatur in einigen der slawischen Sprachen (Slowenen in Kärnten, Steiermark, Kroaten im Burgenland, Tschechen, Slovaken in Wien) in Berührung.

In Südostwind wird auf einen weiteren Bereich österreichischer Literatur hingewiesen, den der Poesie der neuen Minoritäten, der Migrantinnen und Migranten aus dem Südosten Europas - österreichische Literatur ist ja nicht nur deutschsprachig, sie ist reich, u.a. durch Vielsprachigkeit, was in Forschung und Lehre leider lange übersehen wurde!

Etliche der AutorInnen sind als muttersprachliche LehrerInnen, andere in vergleichbaren integrativen Berufen tätig, viele auch schon österreichische Staatsbürger. Das bestätigt auch der positive Eindruck, den ich als Leiter eines Deutsch-Integrationskurses gewann.

Die jahrzehntelange Peinlichkeit um die zweisprachigen Kärntner Ortstafeln war einer der außerliterarischen Beweggründe für die Arbeit an Österreichische Lyrik ­ und kein Wort Deutsch. Die Schande der aktuellen Situation, dazu in Wahlkampfzeiten besonders ungeniert und laut artikulierte Fremdenfeindlichkeit verstärken meine Motivation für dieses Werk.
Gerald Kurdoglu Nitsche
Atelier im Karrnerwaldele

 
Die Malerin und Autorin Natasa Marosevac (li.) und der Autor Miso Klaric (Mitte) stammen aus Bosnien-Herzegowina und leben heute in Innsbruck. Verlagsleiter Gerald Kurdoglu Nitsche (rechts) gründete seinen EYE-Verlag als  Sprachrohr für Minderheiten in Österreich. Foto: Südostwind

Unterstützt wurde die Anthologie auch von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer, der in einem Grußwort den wichtigen Beitrag der Autorinnen und Autoren zur Integration in Österreich hervorhob.

Nach heim.at, der Anthologie der Migration aus der Türkei nach Österreich, wendet sich EYE, Literatur der Wenigerheiten, mit dem Projekt Südostwind nun der größten Gruppe von MigrantInnen in Österreich zu, nämlich jener aus den Balkanländern.

Zu Beginn der neunziger Jahre, als der unbegreifliche Krieg im ehemaligen Jugoslawien ausbrach, wurde Österreich für viele Menschen Fluchtziel vor den Gräueln des Krieges. Aus dieser Gruppe stammen auch die meisten Autorinnen und Autoren des vorliegenden Gedichtbandes, aber auch aus den Ländern Rumänien, Bulgarien, Albanien.

Slawische Sprachen haben in Österreich seit Jahrhunderten Tradition und durch die Migration der letzten Jahre und Jahrzehnte wird das Sprachenspektrum in Österreich erneut erweitert. Deshalb erscheint diese Anthologie auch in der Reihe Neue österreichische Lyrik, denn durch Migration und in weiterer Folge Einbürgerung werden auch verschiedene Sprachen eingebürgert?.

Die Auswahl an Werken ist in ihrer Vielfalt und Qualität beeindruckend, vor allem auch deshalb, weil viele Texte von den Autorinnen und Autoren selbst ins Deutsche übertragen wurden. Sie leisten damit einen ganz persönlichen Beitrag zur eigenen Integration und bleiben zugleich ihrer Muttersprache literarisch verbunden.

Ich freue mich sehr über diese Initiative und wünsche ihr sowohl in der Fachwelt als auch bei den Bürgerinnen und Bürgern die verdiente Beachtung!
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

Es ist geplant, dass die Anthologie Südostwind im Sommersemester 2007 in mehrsprachigen Schulklassen Verwendung finden soll. Da mehr als ein Viertel der Autorinnen und Autoren in Tirol leben, besteht auch die Möglichkeit, diese für Lesungen an Tiroler Schulen einzuladen.

Nachfragen für Lesungen an Schulen richten Sie bitte an:

Schulberatungsstelle für AusländerInnen:
Natasa Marosevac: Tel. 0512-520 33 115
mailto: n.marosevac@lsr-t.gv.at

oder an:

Gerald Kurdoglu Nitsche (EYE-Verlag)
mailto: nitsche.g@tirol.com


>> Tiroler Verlage stellen sich vor: Der EYE-Literaturverlag

>> Rezension: Edin Prnjavorac und Veronika Nitsche (Hg.), Südostwind



Andreas Markt-Huter, 17-01-2007


Weiterführende Links:
EYE-Literaturverlag

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