Literatur im Film - Film und Literatur

Mit Literaturverfilmungen - wie z.B. der Verfilmung von Patrick Süsskinds Roman Das Parfum - gelingt es immer wieder, das Interesse eines breiten Publikums zu wecken. Leute gehen ins Kino, die das Buch bereits gelesen haben und umgekehrt werden Kinobesucher durch den Film animiert , das Buch zu lesen.

Literaturverfilmungen haben eines gemeinsam: sie werden vom Publikum mit der literarischen Vorlage verglichen. Persönliche Bilder, die beim Lesen entstehen, treten in Konkurrenz mit Bildern, die ein Regisseur aus der Lektüre desselben Buches geschaffen hat. Dabei ist der Widerstand den fremden Bildern neben unseren eigenen einen gleichen Rang einzuräumen nicht unerheblich. Oft werden Verfilmungen als enttäuschend erlebt und als misslungen beurteilt, wenn sie den Bildern unserer Phantasie allzu sehr widersprechen. Wo das Original nicht wieder erkannt wird, werden Literaturverfilmungen gegenüber dem Buch als verkürzt oder verfremdet erlebt. Dabei stellen Literatur und Film Medien dar, die mit unterschiedlichen Mitteln etwas Gemeinsames versuchen: Geschichten zu erzählen.

Sowohl Literatur als auch Film können uns in fremde Erlebniswelten hineinziehen, lassen uns an ihren Geschichten teilhaben und Glück und Trauer, Fröhlichkeit und Zorn ihrer Akteure nachempfinden. Dabei bieten Literaturverfilmungen die Möglichkeit, an den Vorstellungen, Bildern und Assoziationen Teil zu haben, die ein anderer Mensch - in diesem Fall der Regisseur - aus der Lektüre eines Buches gewonnen hat.

Selbstverständlich kann ein Film einen literarischen Text nicht einfach übernehmen, sondern muss mit seiner eigenen Erzählsprache und mit den Mitteln des Films einem literarischen Text gerecht werden.

Literaturverfilmungen in Öffentlichen Büchereien

Auch von Seiten der Öffentlichen Büchereien wurden Literaturverfilmungen bereits als ein wichtiger Faktor in ihrem Angebotssortiment erkannt. Personen, die über Bücher und Hörbücher nicht erreicht werden können, die sich aber für Filme interessieren, kann dadurch ein erster Zugang in die Öffentlichen Bibliotheken eröffnet werden. Außerdem treten die Büchereien mit Literaturverfilmungen nur selten in Konkurrenz mit traditionellen Videotheken und können sich andererseits aber auch der Nachfrage bei ihrem lesefreudigen Publikum gewiss sein. Die Stadtbüchereien in Innsbruck, in Schwaz aber auch die AK-Bücherei Innsbruck u.a. Öffentliche Büchereien verfügen über ein breites Repertoire an Literaturverfilmungen für alle Altersgruppen und können sich über zunehmende Ausleihzahlen freuen.


Große Büchereien haben das Potential des Angebots von Literaturverfilmungen schon seit längerer Zeit erkannt und konnten bereits einen ansehnlichen Bestand aufgebauen. Foto: Markt-Huter

 

Für alle die nach Besprechungen verschiedenster Literaturverfilmungen suchen, bietet die Internet-Site von Dieter Wunderlich Dieter Wunderlichs Buch- und Filmtipps eine Auswahl von mehr als 580 Literaturverfilmungen. Das umfangreiche Angebot erstreckt sich von A wie A beautiful mind, Ron Howards Verfilmung der Biografie Auf den fremden Meeren des Denkens. Das Leben des genialen Mathematikers John Nash von Sylvia Nasar bis Z wie Zum Schweigen verurteilt, einer Verfilmung des Theaterstücks Nos Deux Consciences von Paul Anthelme durch den Star-Regisseur Alfred Hitchcock.

Die Internet-Site Literaturschock weist unter Literaturverfilmungen - von A-Z eine große Auswahl an Filmbeschreibungen auf und bietet direkte Bestellmöglichkeiten im Internet. Wer sich über Filme informieren möchte und sich außerdem dafür interessiert, für welche Altergruppen die jeweiligen Filme geeignet sind, der sei auf die Filmdatenbank der Jugend-Medien-Kommission verwiesen.

Noch einmal die Links, die dabei helfen sollen, sich in der großen Anzahl von Literaturverfilmungen besser zurecht zu finden:

Über 300 interessante Film-Hinweise mit kurzen Inhaltsangaben lassen sich auch auf der Website Literaturschock finden. Zusätzlich zu den  Filmbeschreibungen gibt es auch Links mit Bestellmöglichkeiten der Literatur-DVDs.


Literaturverfilmungen im historischen Verlauf

Der Versuch Literatur zu verfilmen, geht bis in die Anfänge des Kinofilms zurück. Dabei musste in der Zeit des Stummfilms noch ganz der Aussagekraft der Bilder vertraut werden. Manche literarische Vorlagen übten schon früh eine ganz besondere Anziehungskraft auf die Regisseure aus und bieten einen - auch aus historischer Sicht - interessanten Vergleich ihrer künstlerischen Umsetzung. So haben sich in den mehr als zwanzig Kinoverfilmungen von Shakespeares Hamlet Schauspielergrößen aller Generationen des Kinofilms versucht wie: Sarah Bernhardt (1900), Laurence Olivier (1948), Richard Burton (1964), Mel Gibson (1990), Kenneth Branagh (1996) und Ethan Hawke (2000)


Werke der Weltliteratur wie Shakespeares Hamlet regten Regisseure immer wieder zu filmischen Neuinterpretationen des bekannten Stoffes an. (v.l.n.r.): Hamlet-Verfilmungen mit Laurence Olivier, Mel Gibson, Kenneth Branagh und Ethan Hawke.

 

Leo Tolstois Opus Anna Karenina wurde bislang siebenmal für das Kino bearbeitete und auch hier liest sich die Besetzung der Titelrolle wie das Who is Who der Schauspielerinnen: Greta Garbo (1935), Vivien Leigh (1948), Jacqueline Bisset (1985) und Sophie Marceau (1997)

Zu Alexandre Dumas? Die drei Musketiere sind zwischen 1921 und 2004 bereits mehr als 15 Filmversionen entstanden, die sich mit dem Abenteuerroman auseinandersetzen, der wie für den Film geschaffenen zu sein scheint.

Verfilmt werden selbstverständlich nicht nur literarische Klassiker sondern auch Erzählungen der Gegenwartsliteratur, wie z.B. Ingeborg Bachmanns Roman Malina zu dem die Schriftstellerin Elfriede Jelinek das Drehbuch schrieb.

Auch der Schriftsteller Peter Handke stellte immer wieder einen sehr  engen Bezug zwischen Literatur und Film her. Handke hat zahlreiche Filmdrehbücher zu seinen eigenen Romanen verfasst, wie z.B. zu den Verfilmungen Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972) oder Der kurze Brief zum langen Abschied (1978). In einigen Filmen führte er zusätzlich sogar selbst Regie: Chronik der laufenden Ereignisse (1971) Die linkshändige Frau (1978) oder Die Abwesenheit (1994).

Die Diskussion über das Verhältnis zwischen Literatur und Film reicht bis in die Anfänge des Films zurück. Alfred Döblin z.B. bezeichnete den Film, das Theater der kleinen Leute als panem et circenses der Vorstädte.

  
Während Thomas Mann (li.) den Film nicht als Kunst verstanden wissen wollte, wurde Autoren die sich für das Medium Film interessierten wie Gerhard Hauptmann (Mitte) und Arthur Schnitzler (re.) vorgeworfen, nur auf kommerziellen Gewinn bedacht zu sein.

 

Elisabeth Prinz setzt sich in ihrem Aufsatz Literatur und Film 1912ff. Ein Nachschlag im Diskurs über die Reinheit der Medien mit diesem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Literatur und Film in seinen Anfängen auseinander. Hier stand der Streit über den künstlerischen Wert des neuen Mediums Film im Mittelpunkt.

Die dänische Nordisk Filmkompagnie etwa bot ab 1912 Arthur Schnitzler und Gerhard Hauptmann die Zusammenarbeit an. Ergebnis waren so genannte Autorenfilme bzw. Kinodramen wie Schnitzlers Liebelei oder Hauptmanns Atlantis. Dagegen versuchte der Verband Deutscher Bühnenschriftsteller, seinen Mitgliedern die Tätigkeit für das Kinotheater zu verbieten. Außerdem wurde offen über jene Autoren gespottet, die mit dem neuen Medium zusammenarbeiteten. Alfred Kerr warf etwa in seinem polemischen Gedicht Sieg des Lichtspiels von 1912 den Autoren wie Hauptmann und Schnitzler vor, sie seien nur auf kommerziellen Gewinn hin ausgerichtet.
Elisabeth Prinz, Literatur und Film 1912ff

 


Literatur und Film - gesellschaftliche und individuelle Wahrnehmung

Über die großem Gemeinsamkeiten zwischen Literatur und Film und ihr wichtige soziale Aufgabe in unserer Gesellschaft schreibt der Literatur- und Medienwissenschaftlers Knut Hickethier. Im Erzählen von Geschichten helfen uns Literatur und Film, das entsetzliche und unfassbare in unserer Welt in Bilder und Sprache zu fassen und damit erst zu bewältigen.

Literatur ist eine Form, das Unsagbare sagbar zu machen, das Unbeherrschbare zu beherrschen, den Schrecken zu steuern. Indem wir lesen ? und nicht um unser Überleben kämpfen müssen ? wissen wir, dass noch leben und dass wir ? zumindest im Augenblick ? nicht gefährdet sind. Literatur ist ein Instrument unseres psychischen Überlebens, sie ist nicht nur ein Vehikel lustvoller Lesewonnen. (S. 2)

Deshalb ist die Literatur auch für die Kultur so wichtig. Keine Kultur kommt ohne das Erzählen aus. Die Menschen suchen in den als ?groß? bezeichneten Erzzählungen sich der Welt zu vergewissern, ihr eine Deutung, ja, wenn Sie so wollen, einen Sinn zu geben. Wir sprechen hier vom Mythos, von den Mythen, die Literatur für einen Kulturkreis gestaltet und damit Kultur stiftet. Heute sind auch Film und Fernsehen die Erzähler der großen Geschichten, sind Mythenproduzenten. Im filmischen Western findet Amerika sein Selbstverständnis - und die Struktur des Western mit Showdown und letzter Entscheidung bestimmte auch den Golfkrieg und jetzt den Feldzug gegen Bin Laden. (S. 5)
Knut Hickethier, Literatur und Film

  
Drei Verfilmungen, die unter dem gleichen Titel ins Kino kamen wie ihre literarischen Vorlagen: (v.l.n.r.) Luchino Viscontis Verfilmung Senso nach dem Roman von Camillo Boito, Michael Haneckes Filmversion Die Klavierspielerin nach dem Roman von Elfriede Jelinek und Sean Penns  Das Versprechen nach dem Roman von Dürrenmatt.

 

Der Literaturwissenschaftler Wan-Seok Nam setzt sich in seiner Dissertation Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozess narrativer Texte wissenschaftlich mit dem Verhältnis zwischen Literatur und Literaturverfilmung auseinander und zeigt verschiedene theoretische Ansätze des noch jungen Forschungsbereichs Literaturverfilmung? auf. Außerdem entwickelt Nam ein Narrations-Modell in der die Wahrnehmung des Lesers oder Filmzuschauers in den Mittelpunkt der Analyse von Literaturverfilmungen gestellt wird.

[?] Als ein neu etabliertes Forschungsgebiet hat sie sich auf dem traditionellen Spektrum der Disziplinen in dem Zwischenbereich von Literatur und Film angesiedelt und als ein sog. interdisziplinärer? Bereich beschäftigt sie sich mit dem nicht unumstrittenen Phänomen, Filme zu machen, die auf literarischen Vorlagen basieren, und mit der nicht geringfügigen Problematik, die dabei herauskommt und herauskommen kann. (S. 1)

[...] So wird in dieser Arbeit die Literaturverfilmung zunächst nicht als Transformation vom literarischen zum filmischen Text(system), sondern aus dem Standpunkt des Wahrnehmungsprozesses narrativer Texte betrachtet. Dies bedeutet, daß statt des Aspekts der Transformation, der bis jetzt im Mittelpunkt der Theorie der Literaturverfilmung gestanden
hat, der Aspekt der Wahrnehmungsaktivität des Rezipienten in bezug auf narrative Texte in den Vordergrund der Untersuchung gestellt wird. Somit wird die hier vertretene Auffassung über die Literaturverfilmung von der gängigen Auffassung differenziert, in der sie vor allem als Transformationsfrage narrativer Struktur betrachtet wird. (S. 5)
Wan-Seok Nam: Literaturverfilmung als Wahrnehmungsprozess narrativer Texte

 


 

Analyse von Literaturverfilmungen und Filmbesprechungen

Wer sich mit der Analyse von Literaturverfilmungen anhand eines ausgewählten Beispiel im Detail auseinandersetzen möchte, dem bietet die Internet-Site Unterricht Online: Filmanalyse - Die verlorene Ehre der Katharina Blum einen geeigneten Einstieg. Anhand einer Analyse der Verfilmung von Heinrich Bölls Roman Die verlorene Ehre der Katharina Blum durch Volker Schlöndorf und Margaretha von Trotta aus dem Jahr 1975 werden den Besuchern zunächst Grundlagentexte geboten, um sich in die verschiedenen Bereiche zum Thema Film zu informieren.

Dazu zählen die Bereiche Medienkompetenz, Typologie didaktischer Filmanalyse, Kritik und Rezension, verschiedene Analysemethoden zur wissenschaftlichen Erforschung der Filmsprache sowie ein Lexikon zur Filmsprache, Filmästhetik und Filmtechnik. Für die Schulung stehen Arbeitsblätter zum Selbstlernen, Video- und Textauszüge zum direkten Vergleich, sieben Filmanalysen des WDR sowie Filmliteratur und Unterrichtskonzepte für die Analyse des Romans Die verlorene Ehre der Katharina Blum für den Deutsch- und Literaturunterricht zur Verfügung.

  
Michael Hanekes Verfilmung von Franz Kafkas Roman Das Schloss, Akira Kurosawas Adaption von Dostojewskis Der Idiot und Lutz Dammbecks Zeichentrickversion der mittelalterlichen Spielmannsdichtung Herzog Ernst.

 

Zur Verfilmung von Patrick Süßkinds Roman  Das Parfum mehrere Filmbeschreibungen zum Vergleich:

  

Weiterführende Informationen zum Thema Literatur und Film:

>> Lesezeiten: Literaturverfilmungen
Inhalt: Die Sprache des Films, Filmgeschichte, Ein Roman entsteht - Ein Film von Jörg Adolph zum Roman Houwelandt von John von Düffel, lieferbare Literaturverfilmungen, Goethes Faust verfilmt, Fritz Lang: M - eine Stadt sucht einen Mörder, Film und Deutschunterricht und Medienkompetenz

>> db-learn-line: Filmanalyse ? Hilfe im Internet
Inhalt: Über Filme, Drehbücher, Filmanalyse, Unterrichtsbeispiele, Weiterführende Linklisten

>> Wikipedia: Literaturverfilmungen

>> Wikiservice: Film-Lexika

>> Artikel aus der Zeitung Die Zeit: Andreas Kilb über eine Reihe von 
                                                              Literaturverfilmungen: Eine neue 
                                                              Runde im ewigen Kampf des Kinos 
                                                              mit dem Buch

>> Fachdidaktik: Mediendidaktik - Film
 

 

 

Andreas Markt-Huter, 14-07-2008

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