Walter Klier, Meine konspirative Kindheit

Buch-CoverDie Biographie ist gewissermaßen die Aktzeichnung der erotischen Genauigkeit. Walter Kliers konspirative Kindheit funkt und knistert daher ordentlich in der Tiroler Zeitgeschichte herum, denn das so genannte eigene Schicksal des erzählenden Ichs ist nur ein besonders erotischer Akt, der über den ganzen Ungereimtheiten des Landes herumliegt.

So ist auch gleich die erste Geschichte etwas vom Süffisantesten und Elastischsten, was die zeitgenössische Biographiekunst auf die Beine gestellt hat. Der Autor erzählt mit dem skurril klaren Kopf, den nur Kinder in einer großen Welt haben können, wie er Zaunzeuge der Südtiroler Bummser geworden ist. Sein Vater hat Vorrichtungen und Abläufe so gestaltet, dass es dem Kind wie ein notwendiges Spielplatzabenteuer erschienen ist, während in Wirklichkeit der sagenhafte Aluminiumduce in Südtirol realiter in die Luft gesprengt worden ist.

Aus der Verquickung von notwendiger Ideologie, Tarnung und Spielwitz entsteht ein Panorama an Heldentum, das ziemlich ironisiert der endgültigen Würdigung entgegenstarrt. Bei Walter Klier wird dieses patriotische Geschehen lustig, immerhin ist ja nichts Gravierendes passiert, und implosiv erzählt. Die patriotischen Sätze implodieren noch im Mund des Erzählers und spucken die Geschichten aus wie ausgezutzelte Weintraubenschalen.

Ähnlich patriotisch wie in der explosiven Eingangsgeschichte geht es auch in anderen Sequenzen zu, die letztlich das unverwechselbar Tirolerische ausmachen. So werden die Voraustexte für einen ORF-Film über das Zillertal von der Wiener Kulturnudel in der Redaktion so lange verändert, bis der Autor definitiv verarscht und der Film tot ist.

Zeitschriften, die derAutor gründet, gehen generell den Bach der Anerkennung hinunter und werden spätestens nach ihrer Archivierung gewürdigt.

Nahversorger haben immer die falsche Ware lagernd, Buchhändler haben in der Innsbrucker Gegend nie das benötigte Buch auf Lager, die Verleger machen bankrott, sobald sie einen Text des Autors annehmen.

Walter Klier erzählt unbekümmert, wie in der Umgebung des Erzählers alles verrückt wird, ob es nun der Direktor des Gymnasiums ist, der auf perverse Kurzhaarschnitte abfährt, oder ein Stempelerzeuger, der die Stempel offensichtlich frisst, ehe er ihr Verschwinden bedauert.

"Weil ich schreibe, muß ich auch viel lesen!" Immer wieder sind Weisheiten in den Text gestreut, der an und für sich schon viel Kluges erzählt, denn das Überleben als Schriftsteller in einer geistig karg ausgelegten Provinz verlangt Überlebensweisheit. So ist auch das Karl-Valentin-Zitat im Vorsatz zu verstehen: Ich war auch einmal jung, vielleicht jünger wie du.

Walter Kliers konspirative Erzählungen durch die Kindheit und andere schräge Lebenslagen sind ein Genuß, bei dem man als Leser während des Lachens immer noch nachschlucken muss, damit man den Speichel des Lebensernstes irgendwie hinunterkriegt.

Walter Klier: Meine konspirative Kindheit und andere wahre Geschichten.
Innsbruck: Haymon 2005. 189 Seiten. EUR 18,90. ISBN 3-85218-488-6.

 

Helmuth Schönauer, 26-08-2005

Bibliographie

AutorIn

Walter Klier

Buchtitel

Meine konspirative Kindheit

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

189

Preis in EUR

EUR 18,90

ISBN

3-85218-488-6

Kurzbiographie AutorIn

Walter Klier, geb. 1955, lebt in Innsbruck.

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