Yean (Hrsg.), TirolCity

Buch-CoverTirolCity lässt wohl niemanden kalt. Es handelt sich bei diesem Projekt von YEAN (Young European Architects Network) um ein patriotisches, witziges und zukunftsträchtiges Unterfangen. Der Kunstgriff dabei ist eine leichte Drehung der Semantik.

Wie nun, wenn Tirol eine Stadt ist und alles auf ein Stadtleben hinausläuft? - Mit diesem Beobachtungstrick lässt sich TirolCity in der Tat aufregend neu beschreiben und für die Zukunft konzipieren.

Während sich normale Regionen irgendwie rund um einen Kern auswachsen, wächst Tirol wie ein urbaner Bandwurm das Inntal entlang. Nur mehr fünf Prozent der Bevölkerung sind aktiv in der Landwirtschaft beschäftigt, etwa zwei Drittel der Bevölkerung lebt unter 800 Meter Seehöhe in der Inntalfurche, das sind die harten Fakten des Tiroler-Landes. Dieses urbane Band hat zudem die Eigenschaften eines Stretchgewebes (elastic city), bei Topzeiten des Tourismus wachsen die Gebilde aus, in Zwischensaisonen schrumpfen die Orte wieder.

So sind etwa die zehn größten Orte, was Einwohner UND Gäste pro bebauter Fläche betrifft: Serfaus, Fiss, Fendels, Ladis und Ischgl, Sölden, St.Anton, Mayrhofen, Seefeld und Tux.

Wenn man NUR die Einwohner pro bebauter Fläche zählt, lautet das Ranking: Telfs, Götzens, Sistrans, Innsbruck, Stanz, Baumkirchen, Wängle, Birgitz, Axams und Jenbach.

Die Autoren räumen auf mit den Mythen, wie sie in Hymnen und Alpenliedern besungen werden, Tirol ist längst zur TirolCity geworden und gleicht eher der auf Ökopump gebauten Wüstenstadt Las Vegas als einem alpinen Heidi-Dorf.

Allein das Fotomaterial ist erschlagend, 56 Autobanknoten gibt es in Tirol, jeder ist individuell gestaltet, damit die Auf- und Abfahrt dem Debütanten unvergesslich in Erinnerung bleibt. Alle 1,3 km gibt es im Schnitt eine Bushaltestelle, alle 3,2 km eine Autobahnabfahrt. Legt man eine Metrokarte über das Land, ergibt sich eine ähnliche Struktur wie sie Metropolen aufweisen. Beeindruckend sind die Fotomontagen, wo Großstädte in die Fläche Tirols gespiegelt sind.

Das Fazit von Yean: Es gibt ein horizontales und ein vertikales Verkehrssystem größter Intensität. Tirol ist eine City, die sogenannten Naturgebiete kann man wie Auslassungen im Bebauungsplan oder als Stadtpark ansehen. Bei kluger Strategiewahl lässt sich das Tirol der Zukunft zu einer Einmaligkeit entwickeln. So könnte man etwa die Mittelgebirge besiedeln, wie das schon die Urahnen getan haben, und die Talsohle könnte man für Traffic und Infrastruktur nutzen.

Die Leute merken, dass etwas anders geworden ist, heißt es in einem Interview mit dem Städteplaner Arno Ritter. Yean mit seinen Protagonisten in Bordeaux, Rotterdam und Wien ist dazu da, diesen veränderten Bedingungen Namen und Luft zu geben.

Die Genauigkeit und Heftigkeit, mit der TirolCity in die Herzen der Patrioten fährt, macht die Publikation zu einem der wichtigsten Bücher des heurigen Jahres.

Yean (Hrsg.): TirolCity. Neue Urbanität in den Alpen. Deutsch/Englisch. Abb.
Wien, Bozen: Folio 2005. 279 Seiten. EUR 25,-. ISBN 3-85256-319-4.

 

Helmuth Schönauer, 15-10-2005

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Andexlinger, Pia Kronberger / Stefan Mayr / Kersten Nabielek / Cédric Ramière / Claudia Staubmann

Buchtitel

TirolCity

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Folio

Herausgeber

Yean

Seitenzahl

279

Preis in EUR

EUR 25,-

ISBN

3-85256-319-4

Kurzbiographie AutorIn

Yean besteht aus Wolfgang Andexlinger, Pia Kronberger, Stefan Mayr, Kersten Nabielek, Cédric Ramière, Claudia Staubmann.

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