Wirtschaft | Soziales

Franz Tumler, Hier in Berlin, wo ich wohne

h.schoenauer - 07.06.2015

Die Frage nach dem sogenannten Erzählstandpunkt führt Autoren oft direkt ins Meldeamt, wo sie beinahe amtlich festlegen, wo sie wohnen.

Für Franz Tumler sind die Vorgangsweise beim Erzählen, der Ausgangspunkt der Beobachtungen, die Analyse der Vorgänge beim Recherchieren von elementarer Bedeutung. Im Verlaufe der Nachkriegszeit ist er allmählich und in kleinen Schritten in Berlin zu siedeln gekommen. So bekommt der Text „Hier in Berlin, wo ich wohne“ aus dem Jahr 1961 eine politische Bedeutung, der Autor pflanzt seinen Identitätsmittelpunkt nach Berlin.

Günther Loewit, Sterben

h.schoenauer - 28.05.2015

Jedes Buch löst in der Leserschaft Reaktionen aus, aber darüber hinaus ergibt sich auch ein Wechselspiel zwischen Leseambiente und Lektüre. Ein Buch über das Sterben wirkt in einem Umfeld voller Apps wischender Kids und in Krimis blätternden Bobos geradezu elementar herausragend.

Der Arzt, Philosoph und Fiktionalist Günther Loewit hat nämlich ein kleines Handbuch über das Sterben geschrieben, worin Elemente eines Sterbe-Lexikons, Fall-Geschichten und Essays zu einem logischen Grundgedanken verknüpft sind. Wenn wir schon über die Geburt halbwegs ausgelassen mit Bräuchen und Feiern herziehen, könnten wir dann nicht auch das Sterben in Würde und Freiheit ins Auge fassen.

Henrik Tikkanen, Brändövägen 8 – Brändö - Tel 35

h.schoenauer - 24.05.2015

In ausgeklügelten sozialen Systemen genügt die Nennung der Wohnadresse, um die darin agierenden Personen bereits genauestens zuordnen und aburteilen zu können.

Henrik Tikkanen ist als Angehöriger der schwedisch sprechenden Minderheit in Finnland sehr hellhörig, was Standesdünkel, hohe Nasen und Abschottung gegenüber dem gemeinen Volk betrifft. Sein Roman Brändvögägen 8, Brändö ist der erste der sogenannten Adressbuchtrilogie, in diesen Romanen wird anhand von Musteradressen der jeweilige Lebensstil der Bewohner beschrieben.

Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert

andreas.markt-huter - 05.05.2015

„Dennoch glaube ich, dass Forscher aus den Sozialwissenschaften wie allen anderen Disziplinen, Journalisten und Kommentatoren sämtlicher Medien, Gewerkschaftler und politische Aktivisten aller Richtungen, und vor allem sämtliche Bürger ernsthaft über Geld nachdenken sollten […]. Diejenigen, die viel davon haben, werden gewiss nicht vergessen, ihre Interessen zu verteidigen. Von den Zahlen nichts wissen zu wollen, dient selten der Sache der Ärmsten.“ (793)

„Das Kapital im 21. Jahrhundert“ bietet wirtschafts-historische Erklärungen für Erfahrungen, die ein großer Teil der Bevölkerung bereits seit längerer Zeit selbst unmittelbar spüren kann: Die finanziellen Möglichkeiten der breiten Schicht der Bevölkerung werden zunehmend geringer, die Einkommensschere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander.

Martin Kolozs, Nie wieder Indien

h.schoenauer - 23.04.2015

So wie man eine Reise antritt, so wird sie auch ausfallen. Am aufmerksamsten reist, wer eine Reise nur einmal machen möchte.

Martin Kolozs hat bei seinem Indien-Trip zweierlei im Auge, einmal will er das Land auf die Tauglichkeit seiner Bilder abklopfen, und zum anderen will er die Auswirkungen der Reiseziele auf den Reisenden analysieren.

Bernhard Kathan, Wir sehen Tiere an

h.schoenauer - 21.04.2015

Wenn Tiere mehr als eine Sache aber weniger als ein Mensch sind, muss folglich auch unser Blick auf sie heftiger als auf Sachen aber weniger intensiv als auf Menschen ausfallen.

Bernhard Kathan vergleicht in seinem Essay diverse Ereignisse in Literatur, Forschung und Psychologie, die zu einem Aufeinandertreffen von Menschenblicken auf Tiere handeln. Während in der Erforschung des Faschismus der berühmte Denkansatz lautet „Tiere sehen dich an“, nimmt Bernhard Kathan den an und für sich neutralen Vorgang der Tierbeobachtung, um daran aufzuzeigen, welchen scheinbaren Menschenbildern wir dabei nachgehen.

Manfried Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie

andreas.markt-huter - 16.02.2015

„Österreich-Ungarn aber, eine – wie es so schön hieß – »stagnierende Großmacht«, sah ähnlich wie Großbritannien in der Aufrechterhaltung der geltenden europäischen Ordnung eine Chance. Das aber nicht aus innerster Überzeugung, sondern aufgrund einer evidenten Schwäche. Sie, und vor allem sie war der Grund dafür, dass Krieg zur Lösung der Probleme dann doch wenn schon nicht angestrebt, so nicht mehr regelrecht ausgeschlossen wurde.“ (14)

Manfried Rauchensteiners opulentes Werk über die Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg umfasst alle Aspekte vom Vorabend des Krieges bis zum Zusammenbruch des Habsburgerreiches und dem Niedergang der Monarchie. Dabei werden die wesentlichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Hintergründe genauso detailliert erläutert, wie die wichtigsten Protagonisten und Entscheidungsträger rund um die Zeit des Ersten Weltkrieges vorgestellt, aber auch der Kriegsverlauf und Kämpfe der österreichisch-ungarischen Armee auch für Laien verständlich und nachvollziehbar analysiert.

Tiroler Landesmuseum (Hg.), Druckfrisch

h.schoenauer - 06.02.2015

Das Druckwesen hat zur Entwicklung der Gesellschaft mindestens so viel beigetragen wie die Adelsgeschlechter zusammen, daher gebührt es einer guten Druckerei, dass sie zwischendurch epochal dargestellt wird.

Unter dem Ausstellungs-Titel Druckfrisch werden im Innsbrucker Ferdinandeum die epochalen Leistungen des Druckhauses Wagner gezeigt, ein 375-Jubiläum ist durchaus nicht jeden Tag in der Provinz zu feiern.

Susanne Schaber, Lesereise Island

h.schoenauer - 02.02.2015

Island gilt allenthalben als dermaßen einmalig, dass es davon nicht einmal ein Kitsch-Fassung gibt. Was immer man auch über Island sagt, es stimmt, denn es ist an manchen Tagen nicht von dieser Welt.

Susanne Schaber streift in ihrer Lesereise gleich einmal diesen Aggregatzustand zwischen Feuer und Eis, der die groteskesten Farbspiele auslost.

Ulrich Ladurner, Lampedusa

h.schoenauer - 09.01.2015

Eine Insel fordert die jeweilige Bevölkerung permanent heraus, denn obwohl man eine Insel theoretisch in Ruhe lassen könnte, wetzen sich an ihr immer Mythologien, Paradiesvorstellungen, militärische Überlegungen und touristische Übergriffe ab.

Ulrich Ladurner widmet in seinem Essay seine Aufmerksamkeit der Insel Lampedusa, zwischen Sizilien und Libyen gelegen ist dieses Eiland als sogenannte „Flüchtlingsinsel“ in aller Munde. „Was hier vor sich geht, sind keine Landungen sondern geordnete Rettungsmaßnahmen“, versucht eine Inselpolitikerin den Aufruhr in Bahnen zu lenken. (125)