Leichte Sprache – Eine erweiterte Tür in die Welt der Informationen, Teil 1

Nur wer Bescheid weiß, kann auch mitsprechen und mitbestimmen. Grundvoraussetzung dafür sind verständliche Informationen. Probleme entstehen, wenn Texte besonders komplex und schwer verständlich sind oder wenn Menschen Leseschwierigkeiten aufweisen.

Die zunehmende Forderung nach barrierefreiem Zugang in allen öffentlichen Bereichen hat in den vergangenen Jahren zu einem allgemeinen gesellschaftlichen Umdenken geführt. Mit Hilfe von „Leichter Sprache“ werden Texte heute so gestaltet, dass sie auch von Menschen mit geringen Lesekompetenzen verstanden werden können.

In der UN-Konvention über die „Rechte von Menschen mit Behinderungen“ und im Fakultativprotokoll versichern die unterzeichnenden Staaten geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung den gleichberechtigten Zugang zu Information und Kommunikation zu gewährleisten. Dabei sind es nicht nur Menschen mit Behinderung die Probleme haben Texte zu lesen und zu verstehen.

Auch Menschen mit Migrationshintergrund oder geringen Lesekompetenzen scheitern häufig daran, Texten in Standardsprache die wesentlichen Informationen zu entnehmen. Bei komplexen Fachtexten wie Rechtstexten, technische Anleitungen oder Gebrauchsanweisungen hat auch schon so mancher "normale" Leser mit Verständnisschwierigkeiten zu kämpfen gehabt.

Die Anfänge der Leichten Sprache

Die Anfänge der sogenannten „Leichten Sprache“ gehen auf Bewegungen in Schweden und den USA vor vierzig Jahren zurück, welche die Forderung erhoben, Menschen mit Behinderung für sich selbst sprechen zu lassen. Ein wichtiger Teil dieser „People-First-Bewegung“ war dabei das Konzept der „Leichten Sprache“, mit dem Ziel Regeln auszuarbeiten, um Standardsprache geregelt in eine leicht verständliche Sprache zu übertragen.


Die UN-Konvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ sichert die barrierefreie Zugänglichkeit zu Informationen der Öffentlichkeit für alle zu. Screenshot: Sozialministerium - UN-Konvention

 

Durch das Bekenntnis des Staates zur Barrierefreiheit im Bundesbehindertengleichstellungsgesetz im Jahr 2005 und dem Inkrafttreten der UN-Konvention „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ im Jahr 2008 hat sich auch der Staat selbst verpflichtet, für leicht verständliche Informationen und Texte zu sorgen.

So besagt z.B. Artikel 21 der UN-Konvention, dass Menschen mit Behinderung Informationen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, rechtzeitig und ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Informationen sollen in Formaten und Technologien zugänglich sein, die für unterschiedliche Arten von Behinderung geeignet sind. Eine Forderung, die auch für Dienstleistungen von privaten Rechtsträger und Massenmedien gelten soll.

Seit dem 1. Jänner 2016 das Gesetz für Barrierefreiheit voll in Kraft getreten ist, müssen Informationen der öffentlichen Hand barrierefrei zugänglich sein. Die Wiener Zeitung hat diesen Anlass beispielsweise genutzt, um in Kooperation mit dem Domus-Verlag mit der Artikelreihe "Leichte Sprache" - schwere Kost?"
verschiedene Artikel in „Leichte Sprache“ zu übersetzen. Damit wollte die Zeitung auf den Umstand aufmerksam machen, dass barrierefreier Zugang zu Information noch lange nicht erreicht ist.


Das Land Tirol bietet seine Informationen im Internet auch in der Form "Leicht Lesen" an. Screenshot: Land Tirol

 

„Leichte Sprache“ – ein Konzept zur Überwindung sprachlicher Barrieren

Das Konzept der „Leichten Sprache“ wurde in den vergangenen Jahren entwickelt, um Menschen mit Leseschwierigkeiten, das Verstehen schriftlicher Texte möglich zu machen. Neben Vereinen zur Förderung von „Leichter Sprache“ haben auch private Unternehmen das Thema aufgegriffen und bieten heute Übersetzungsarbeiten von Standardsprache in „Leichte Sprache“ an. Mittlerweile ist „Leichte Sprache“ sogar Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden. An der Universität Hildesheim wurde eine eigene „Forschungsstelle Leichte Sprache“ eingerichtet und ein wissenschaftlich begründetes Regelbuch für „Leichte Sprache“ veröffentlicht.

Dies ist insbesondere von großer Bedeutung, weil gerade für schwierige rechtliche und fachliche Texte ÜbersetzerInnen auf gute Grundlagen wie Grammatiken, Regelwerke und Wörterbücher für die Übersetzung in Leichte Sprache angewiesen sind.

Richtlinien für Leichte Sprache

Das Konzept der Leichten Sprache besteht in Finnland bereits seit den 1970er Jahren. Die 1988 gegründete Organisation „Inclusion Europe“ hat infolge für die europäische „Leichte-Sprache-Bewegung“ wichtige Pionierarbeit auf dem Gebiet der Leichten Sprache geleistet und Richtlinien in verschiedenen Sprachen für das Schreiben verständlicher Texte verfasst.

Im deutschsprachigen Raum haben sich vor allem die Vereine „Netzwerk Leichte Sprache“ und „Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland“ für die Entwicklung und Verbreitung „Leichter Sprache“ engagiert. Aber auch in Österreich können sich die Aktivitäten zahlreicher Einrichtungen zum Thema Leichte Sprache durchaus sehen lassen. Dazu gehören die Bücher des Domus Verlags ebenso wie News.rechtleicht: Nachrichten verständlich machen oder die Veröffentlichungen von Rechtleicht.at.


Nachrichten und Zeitungsmeldungen sind oft schwer zu verstehen. Was tut sich in Österreich und in der Welt? [...] Jede Woche werden neue leicht verständliche Nachrichten aus Österreich geschrieben und hier veröffentlicht.
Screenshot: News.rechtleicht.at

 

Weitere Angebote in leichter Sprache in Tirol bieten die Bildungsberatung Tirol, Wibs Tirol, Bidok: Leicht Lesen Bibliothek, oder die Übersetzungstätigkeit von Capito u.a.

Auch in den Medien wurden das Thema „Leichte Sprache“ in den vergangenen Jahren immer wieder aufgegriffen wie z.B. von Burkhard Straßmann in seinem in der Zeit-Online veröffentlichten Beitrag „Leichte Sprache – Deutsch light“ (30.1.2014), im Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung von Tobias Ochsenbein „Leichte Sprache“ – Weil einfach einfach einfach ist" (8.9.2014) oder in der Beitragsreihe der Wiener Zeitung im Februar 2016 mit Nachrichten in leichter Sprache. Aktuelle Nachrichten in Leichter Sprache bieten die Online-Nachrichten „Nachrichten leicht: Der Wochen-Rückblick in einfacher Sprache

Was ist Leichte Sprache?

Leichte Sprache gilt als eine Variante der deutschen Sprache, die sich durch einen systematisch reduzierten Satzbau und Wortschatz auszeichnet. Das für das Verständnis von Texten vorausgesetzte Hintergrundwissen wird bei Texten in Leichter Sprache als reduziertes Hintergrundwissen berücksichtigt. Ebenso zeichnen sich Texte in Leichter Sprache durch eine besondere Form der visuellen Darstellung aus, die das Lesen und Erfassen erleichtern sollen.

Bei Leichter Sprache handelt es sich um eine Schriftsprache, weil es keine Sprachgemeinschaft wie z.B. im Englischen gibt, wo die Adressaten englischer Texte englisch sprechen. Bei Leichter Sprache sprechen weder die Adressaten noch die Produzenten Leichte Sprache.


Regeln für die Übersetzung von Texten in Leichte Sprache bieten wichtige Orientierung und Hilfe.
Screenshot: Netzwerk Leichte Sprache - Regeln für die Leichte Sprache, S. 8

 

Texte mit Leichter Sprache richten sich an alle Menschen, denen standardsprachliche Texte oder fachsprachliche Texte Probleme bereiten. Die Adressaten reichen von Menschen mit Lernschwierigkeiten und mit funktionalem Analphabetismus bis hin zu Migranten, gehörlos geboren Menschen und Menschen mit geistiger Behinderung.

Die Übersetzung komplexer Inhalte in Leichte Sprache ist eine überaus anspruchsvolle Aufgabe, wobei die übersetzten Texte häufig länger werden als die Ausgangstexte. Dies hängt mit der meist umständlichen Erklärung komplexer Wörter und Konzepte zusammen. Illustrationen können hierbei sehr oft helfen, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen.

Regelwerke zur Leichten Sprache

Zu den wichtigsten und am meisten verwendeten Regelwerken für Leichte Sprache im deutschsprachigen Raum zählen die „Regeln für Leichte Sprache“ vom Verein Netzwerk Leichte Sprache, das umfangreiche Heft „Leichte Sprache – Ein Ratgeber“ des deutschen Bundes-Ministeriums für Arbeit und Soziales und schließlich „Leichte Sprache - Das Regelbuch“ der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim.

Die „Regeln für Leichte Sprache“ formulieren in sechs Punkten Regeln für die Übersetzung und Verwendung von Leichter Sprache und worauf bei der Anwendung der Regeln zu achten ist.

Das 1. Kapitel setzt sich mit der Verwendung von Wörtern auseinander. Als Grundregel gilt dabei: kurze, einfache, treffende und bekannte Wörter verwenden sowie immer die gleichen Wörter für gleiche Dinge verwenden. Weiters sollen Verben und aktive Wörter benutzt werden. Zu vermeiden sind: Fremdwörter, Genitiv, Konjunktiv, Redewendungen und Metaphern aber auch Sonderzeichen wie %, &, §, u.a.

Das 2. Kapitel erläutert den Umgang mit Zahlen, Zeichen aber auch mit Datums- und Zeitangaben. Die Empfehlung lautet: „Schreiben Sie Zahlen so, wie die meisten Menschen sie kennen.“ (S. 10) Vermieden werden sollen römische Zahlen, alte Jahreszahlen, hohe Zahlen und Prozent-Zahlen sowie in Worten geschriebene Zahlen.

Im 3. Kapitel werden Richtlinien für den Satzbau gegeben: kurze Sätze schreiben, nur eine Aussage pro Satz tätigen und einen einfachen Satzbau verwenden. Als Eigenheit von Leichter Sprache dürfen auch die Bindewörter „oder, wenn, weil, und, aber“ am Satzanfang stehen.


Der Verein "Netzwerk Leichte Sprache" hat mit seinen
"Regeln für die Leichte Sprache" Pionierarbeit für die
Übersetzung von Standardtexten in Leichte Sprache geleistet.

Screenshot: Netzwerk Leichte Sprache - Regeln für die Leichte Sprache

 

Kapitel 4 gibt Hinweise für die Umsetzung des Prinzips Leichte Sprache in Texten, wobei empfohlen wird, die LeserInnen persönlich anzusprechen sowie Fragen und Verweise zu vermeiden. Bei der Übersetzung in Leichte Sprache dürfen Texte verändert werden, sofern Inhalt und Sinn erhalten bleiben.

In Kapitel 5 werden Richtlinien für die Textgestaltung und die Verwendung von Bildern gegeben, dazu gehören Schriftgröße, Zeilenabstand und Schriftausrichtung. Speziell für Leichte Sprache ist es, jeden Satz in einer neuen Zeile zu beginnen, keine Wörter zu trennen und Wörter, die vom Sinn her zusammengehören, in eine Zeile zu schreiben. Ebenfalls hilfreich ist es, viele Absätze und Überschriften zu machen, wichtige Dinge hervorzuheben sowie dunkle Schrift und helles, dickes und mattes Papier zu verwenden.

Im 6. Kapitel wird empfohlen, Texte für Menschen mit Lernschwierigkeiten von diesen Menschen selbst überprüfen zu lassen. „Nur sie können Ihnen wirklich sagen: Das kann ich gut verstehen.“ (S. 34) Am Ende bietet die Regelung noch Tipps und Tricks für das Prüfen von Übersetzungen.

Der Ratgeber des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales übernimmt die „Regeln für Leichte Sprache“ wörtlich und ergänzt diese um „Regeln für Treffen und Tagungen“ an denen Menschen mit Lernschwierigkeiten teilnehmen. Es wird nicht nur darauf hingewiesen, dass Texte in Leichter Sprache verfasst sein sollen sondern auch, was in einer Einladung stehen soll, wie ein Anmeldeformular aussehen soll oder worauf beim Sprechen in Leichter Sprache zu achten ist.

Im letzten Abschnitt werden „Regeln für Leichtes Internet“ (S. 113) gegeben, die sich an den Regeln für Leichte Sprache orientieren. Der „Ratgeber für Leichte Sprache“ des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales verleiht der Verwendung von Leichter Sprache und den Regeln für die Übersetzung in Leichte Sprache eine staatliche Autorität, die über die Empfehlungen eines Vereines hinausgeht.


Das Online-Wörterbuch „Hurraki“ bietet für eine große Auswahl an schwiergen Begriffen leicht verständliche Wörter und Erklärungen.
Screenshot: Hurraki

 

Das Online-Wörterbuch „Hurraki“ ist ein Wörterbuch für Leichte Sprache und hilft Wörter und Begriffe in Leichte Sprache zu übersetzen. Daneben bietet Hurraki ein Tool zur Prüfung auf Leichte Sprache und eine kurze Zusammenfassung der Leitlinien für Leichte Sprache.

Einen inhaltlichen Schritt darüber hinaus bietet Christiane Maaß‘ umfangreiche Veröffentlichung „Leichte Sprache - Das Regelbuch“ der „Forschungsstelle Leichte Sprache“ der Universität Hildesheim , die das Konzept Leichte Sprache als eigene Sprachvariante versteht und wissenschaftlich untersucht.

Ziel der Veröffentlichung ist es Übersetzerinnen und Übersetzern eine gute Grundlage und Hilfsmittel selbst für schwierige fachliche Texte zu bieten. Im Hauptteil werden die bestehenden Regeln Leichter Sprache sprachwissenschaftlich systematisiert und überarbeitet und Richtlinien für das Übersetzen von Texten in Leichte Sprache geboten.

 

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Mehr über das detaillierte Regelwerk der Forschungsstelle Leichte Sprache lesen Sie im kommenden Beitrag „Leichte Sprache – Eine erweiterte Tür in die Welt der Informationen – Teil 2“.

 

Weiterführende Links:

UN-Konventionen

Geschichte der Leichten Sprache

Einrichtungen für Leichte Sprache

Beiträge zur Leichten Sprache

Regelwerke und Wörterbuch für Leichte Sprache

Informationen und Angebote in Leichter Sprache

Barrierefreie Kommunikation

 

>> Leichte Sprache – Eine erweiterte Tür in die Welt der Informationen, Teil 2

 

Andreas Markt-Huter, 14-06-2016

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