Gerard Kanduth, vice versa. – Gedichte / pesmi / poesie.

Das Umdrehen der Gegebenheiten, das Vertauschen von Standpunkten und das Austauschen von Rollen sind wichtige Maßnahmen in der Literatur, um das sogenannte Selbstverständliche jeweils aus den Angeln zu heben.

Gerard Kanduth zerlegt in seinen Gedichten das scheinbar für die Ewigkeit Festgeschriebene, indem er Gedankengänge unerwartet im rechten Winkel abbiegen lässt und die erwartete Coda eines Ideenbündels als aufgedröselte Einzelteile darbietet.

Seine Sammlung nennt er „vice versa“, dabei werden nicht nur die einzelnen Gedichte umgewandelt, die Übersetzung ins Italienische und Slowenische gibt den Texten zusätzlichen Halt, indem sie die Schwerkraft einer sprachlichen Monokultur verlassen.

Das Konzept von „vice versa“ lässt sich bestens am Eingangsgedicht darstellen: „vice versa // er geht / mit der / zeit // und die zeit / geht / mit ihm“ (21) Dabei wird nicht nur die Ordnung aufgehoben, es wechselt auch der übliche Sprachgebrauch. Im Volksmund wird die Fügung mit jemandem gehen ja auch dazu gebraucht, um ein Verhältnis darzustellen, hier hat die lyrische Figur ein Verhältnis zum Zeitgeist, ehe sie von diesem hinweggerafft wird.

Ziemlich unter sich selbst zu leiden hat das lyrische Ich, wenn es wie Sisyphos mit einer unsterblichen Tätigkeit beschäftigt ist.

„sisyphos // es gelingt mir nicht // es gelingt mir // wieder nicht // ich komme / einfach nicht / aus meiner haut / heraus“ (47)

Die lyrischen Felder dieser Sammlung sind überschrieben mit: Vice versa, sisyphos, schnitt, fremde heimat und lebensrhythmus. Das sind auch die wesentlichen Elemente der Darstellungskunst Gerrad Kaduths, von der Fabjan Hafner im Vorspann schreibt:

„Gerard Kanduth beschreitet den schmalen Grat zwischen Vers und Aphorismus, zwischen Empfindungsblitz und Gedankensplitter. […] Ein Gedankenlyriker mithin, ein Befrager der Sprache, ein Stürmer wider die Sprachbilder, einer, der die ‚lyrische wortsuppe‘ gerne versalzt.“ (8)

Die Bilder Gerard Kanduths haben den Vorteil, dass sie oft den Nagel gleich mitliefern, mit dem man sie als Leser im eigenen Kopf fixieren kann. Denn wer wird je das österreichgische Pferdewesen vergessen, wenn er an die Hochkultur denkt? „hochkultur // wir kommen / von unseren lipizzanern / überhaupt nicht mehr / herunter“ (74) Da passt dann die Behauptung nur zu gut, wonach sich Adelige nur noch durch Adoption vermehren.

Aber Gerard Kanduth fährt seine Zuspitzungen schließlich poetisch herunter in einen verinnerlichten Zustand jenseits der Zeit.

„ein hauch // leise / plätschern / wellen // nun / höre ich auf / sandkörner / zu zählen // nun / höre ich nur / deine lautlose / stimme“ (126)

Gerard Kanduth, vice versa. – Gedichte / pesmi / poesie. Mit Übersetzungen ins Slowenische von Janko Messner und ins Italienische von Erika Kanduth. Vorwort von Fabjan Hafner.
Klagenfurt: Hermagoras 2012. 143 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7086-0689-7.

 

Weiterführender Link:
Hermagoras-Verlag: Gerard Kanduth, vice versa
Wikipedia: Gerard Kanduth

 

Helmuth Schönauer, 25-09-2012

Bibliographie

AutorIn

Gerard Kanduth

Buchtitel

vice versa. – Gedichte / pesmi / poesie.

Originaltitel

vice versa – Gedichte / pesmi / poesie

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Hermagoras-Verlag

Übersetzung

Janko Messner / Erika Kanduth

Seitenzahl

143

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7086-0689-7

Kurzbiographie AutorIn

Gerard Kanduth, geb. 1958 in Lienz, lebt in Schiefling am See.

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