Lyrik

Regina Hilber, Mein Amerika? America Me!

h.schoenauer - 12.12.2025

Regina Hilber, Mein Amerika? America Me!Zumindest in der Literatur, sagt man, kann es Austria mit Amerika aufnehmen. Und dann werden gleich wuchtige Beispiele von Kürnberger, Kafka, Roth und Handke genannt, worin von Europa aus ein kontinentales Weltbild von Amerika entwickelt worden ist.

Das sogenannte Amerikabild wird in der heimischen Literatur immer wieder hinterfragt, schließlich sind die Einflüsse über Beat, Musik, Shortstory und Filmepik immer noch virulent, mittlerweile ergänzt durch die Eruptionen von Sozialmedia, KI und Fake-Kultur.

Patricia Brooks, Lunapark

h.schoenauer - 08.12.2025

Patricia Brooks, LunaparkIm Idealfall beschreibt ein einziges Wort einen Kosmos voller Gefühle, Erinnerungen und Träume. In der Lyrik sind diese Zauberbegriffe oft in rätselhaften Gedichten versteckt, manchmal werden sie auf das Cover gespült und schalten dabei das Licht an für eine wundersame Imagination – Lunapark.

Patricia Brooks setzt mit Lunapark eine faszinierende Welt in Szene, in der es drunter und drüber geht mit Glücksversprechungen, Spielen und hellen Farben aus der Kindheit. Etwas Paradiesisches schwingt über den Gerätschaften, die als Ansichtskarten verpixelt auf einem eigenen Karussell tanzen in der Hoffnung, zu einem Selfie mit glücklichem Ausgang zu werden.

Rudolf Kraus, wenn ich am morgen schon abends

h.schoenauer - 28.11.2025

Rudolf Kraus, wenn ich am morgen schon abendsLyrik ist immer auch eine Zeitmaschine, in den Gedichten geschieht geradezu selbstverständlich, dass etwas in die Zukunft gehoben wird, das noch gar nicht die Gegenwart erreicht hat. Rudolf Kraus überschreibt seine Gedichte mit dem schönen Zeitschieber-Satz: „wenn ich am morgen schon abends“. Das lyrische Ich scheint die Gedanken nachhaltig zu fassen, zumindest für einen ganzen Tag sollten sie Gültigkeit haben.

Mit dieser Tagesklammer zwischen „am Morgen und abends“ ist auch die Thematik abgesteckt, das lyrische Ich wirft den Tag an und lässt den Gedanken freien Lauf. In dieser lyrischen Zentrifugalkraft schleudert sich das Poetische erst in den Abend hinein, wodurch das Gedicht zu einem harmonisierenden Abschluss kommt.

Udo Kawasser, tarquinia – gespräche mit schatten

h.schoenauer - 21.11.2025

Udo Kawasser, tarquinia – gespräche mit schattenLyrik sucht zwischendurch sogenannte lost places auf, worin sie mit den Augen einer überreizten Gegenwart in den Bildern abgeschlossenen Verfalls wühlt. Udo Kawasser siedelt sein Poem rund um die etruskische Stadt Tarquinia an, die neben den Gebilden der Gegenwart vor allem aus Ausgrabungen, Mythos, historischen Befunden und Artefakten des Totenkultes besteht. Wo immer eine lyrische Messstation im Gelände aufgestellt wird, versammelt sich sofort poetische Materie drum herum.

Das Projekt ist mit dem Untertitel versehen: „Gespräche mit Schatten“. Sobald die Sendequelle ihren fragenden Schall in die Vergangenheit richtet, reagieren diverse Echos, Zeitbrüche, Rotverschiebungen und mineralische Verwerfungen auf die anfragende Stelle.

Andreas Pargger, Wie wir leben wollen

h.schoenauer - 14.11.2025

Andreas Pargger, Wie wir leben wollenDer sogenannte Lebensstil lässt sich oft kunstvoll zu einem Stillleben zusammenfassen, das sich als Bild oder Gedicht präsentiert. Andreas Pargger unternimmt im Lyrikband „Wie wir leben wollen“ gut fünfzig Anläufe, um sogenannte Lebensentwürfe auszuprobieren. Dabei poppen die Gedichte als Momentaufnahmen auf, in denen sich ein dramatischer Prozess ablesen lässt wie bei einem Poster, das einen besonderen Gestus einer Rolle in den Vordergrund stellt.

An einen Dreiakter erinnert auch die schlichte Gliederung in Abschnitt I (7), II (31) und III (87). Für die optische Wahrnehmung sind die Gedichte zugleich weit und konzentriert aufbereitet. Generell stehen die Gedichte auf der ungeraden „Aufmerksamkeit heischenden“ Seite rechts, währen die linke Seite fast durchgehend leer bleibt. Es herrscht also Rechtsverkehr, während links die Signale stehen in Gestalt einer binären Seitennummerierung, die leere Seite wird genauso gezählt wie die volle.

Sirka Elspaß, hungern beten heulen schwimmen

h.schoenauer - 12.11.2025

Sirka Elspaß, hungern beten heulen schwimmenWas sich wie die Grundrechenarten für eine aufgelöste Seele anhört, ist ein lyrisches Konzept, das sich wie ein Stützkorsett um das zerbrechliche Individuum legt. Sirka Elspaß verfasst Gedichte über existentielle Gefühle und emotionale Kämpfe, die sich als variantenreiche lyrische Grundrechenarten an den Begriffen „hungern beten heulen schwimmen“ ablagern.

Als Einstimmung sind diese vier Aktionen monumental dargestellt, ohne Angst vor großen Worten und wuchtigem Habitus. Unter hungern heißt es: „Natürlich habe ich wieder / angefangen zu beten / ich lüge nie habe / damit aufgehört schau mich an / ich kann lange knien“. Der Hunger setzt schließlich während des Betens ein, wahrscheinlich werden ähnliche lyrische Endorphine eingesetzt wie beim Schwimmen.

Rhea Krčmářová, Tagebruch / Instant

h.schoenauer - 06.10.2025

Rhea Krčmářová, Tagebruch / InstantLyrik ist unter anderem ein Vorgang, der zu Gedichten führt. Die Manifestation als Gedichtband ist einerseits eine Aktualisierung, die sich bei jedem Aufschlagen des Bandes neu inszeniert, andererseits eine Konservierung einer Aktion für Büchereien und Archive.

Rhea Krčmářová nennt ihr Projekt, das aus dem Zusammenführen von Aktionismus, Bildgestaltung und dramaturgischer Analyse von Abläufen besteht: „Tagebruch / Instant“. Im Vorspann ist der Hinweis angefügt, dass es sich dabei um eine Kunstform handelt, wonach Texte „on the go“ ins Handy getippt werden, um gleich darauf auf Instagram zu erscheinen.

Sophie Reyer, Leerstellenkind

h.schoenauer - 29.09.2025

Sophie Reyer, LeerstellenkindEine leere Stelle kann durchaus schmerzen, bis sie mit einem Bindemittel ausgefüllt ist. Schreibende berichten vom Schmerz der leeren Seite, der so lange anhält, bis die erste Zeile geschrieben ist. Und aus der Pädagogik werden immer wieder Fälle berichtet, wonach ein Kind mit seiner Leere die Erziehenden geradezu zu Maßnahmen herausfordert, diese Leerstelle mit Sinn, Wünschen oder Gehorsam auszufüllen.

Sophie Reyer stellt mit der Figur des Leerstellenkindes ein unverbrauchtes lyrisches Ich vor, das sich mit der Welt auseinandersetzt, indem es verschiedene Füllpasten von Sinn ausprobiert.

Christoph Szalay, HURT

h.schoenauer - 17.09.2025

Christoph Szalay, HURTIn goldenen Lettern prangt ein magischer Begriff vom Buchdeckel: HURT. In einer ersten Übersetzung stellt man sich etwas mit Verletzung und Schmerz vor. Und später wird klar, dass es sich um einen Zustand der Trance und der Körperverletzung handelt, wie er beispielsweise während eines Berglaufs auftreten kann.

Christoph Szalay stellt mit Hurt eine Geschichte des Heran-Tastens an ultimative Grenzen vor. Dabei beginnt das Protokoll recht verheißungsvoll: „der erste Blick des Tages in den Himmel, um zu sehen, ob er trägt“. (10)

Angelika Stumvoll, Die Silbentreppe

h.schoenauer - 10.09.2025

Angelika Stumvoll, Die SilbentreppeDie Silbentreppe spricht quasi als einzelnes Wort alle Sinne an. Auf dem poetischen Bildschirm der Lektüre sehen wir eine silberne Glitzershow, auf der die Gefühlskristalle zu flirren beginnen, während sie zu uns herabsteigen. Als Graphik nimmt die Silbentreppe einen graphitenen Glanz an und schwärmt über den Seiten aus. Und als Gedicht schließlich beginnen die Silben zu klirren wie ein Windspiel im Morgenlicht.

Angelika Stumvoll arrangiert Gedichte und Bilder in Blöcken, wobei sich die Struktur sowohl der Bilder als auch der Gedichte zunehmend verdichtet. Öfters sind Texte zuerst als Schriftbild eines Gedichtes zu sehen, in einem nächsten Block taucht dieses Gedicht dann als „graphische Skulptur“ auf, wie etwa das Titel gebende Silbentreppe. Aus dieser Gedicht-Graphik-Komposition lässt sich das Grundkonzept für die Anordnung von Silben und Silben-Pixeln herauslesen.