Lyrik

Rhea Krčmářová, Tagebruch / Instant

h.schoenauer - 06.10.2025

Rhea Krčmářová, Tagebruch / InstantLyrik ist unter anderem ein Vorgang, der zu Gedichten führt. Die Manifestation als Gedichtband ist einerseits eine Aktualisierung, die sich bei jedem Aufschlagen des Bandes neu inszeniert, andererseits eine Konservierung einer Aktion für Büchereien und Archive.

Rhea Krčmářová nennt ihr Projekt, das aus dem Zusammenführen von Aktionismus, Bildgestaltung und dramaturgischer Analyse von Abläufen besteht: „Tagebruch / Instant“. Im Vorspann ist der Hinweis angefügt, dass es sich dabei um eine Kunstform handelt, wonach Texte „on the go“ ins Handy getippt werden, um gleich darauf auf Instagram zu erscheinen.

Sophie Reyer, Leerstellenkind

h.schoenauer - 29.09.2025

Sophie Reyer, LeerstellenkindEine leere Stelle kann durchaus schmerzen, bis sie mit einem Bindemittel ausgefüllt ist. Schreibende berichten vom Schmerz der leeren Seite, der so lange anhält, bis die erste Zeile geschrieben ist. Und aus der Pädagogik werden immer wieder Fälle berichtet, wonach ein Kind mit seiner Leere die Erziehenden geradezu zu Maßnahmen herausfordert, diese Leerstelle mit Sinn, Wünschen oder Gehorsam auszufüllen.

Sophie Reyer stellt mit der Figur des Leerstellenkindes ein unverbrauchtes lyrisches Ich vor, das sich mit der Welt auseinandersetzt, indem es verschiedene Füllpasten von Sinn ausprobiert.

Christoph Szalay, HURT

h.schoenauer - 17.09.2025

Christoph Szalay, HURTIn goldenen Lettern prangt ein magischer Begriff vom Buchdeckel: HURT. In einer ersten Übersetzung stellt man sich etwas mit Verletzung und Schmerz vor. Und später wird klar, dass es sich um einen Zustand der Trance und der Körperverletzung handelt, wie er beispielsweise während eines Berglaufs auftreten kann.

Christoph Szalay stellt mit Hurt eine Geschichte des Heran-Tastens an ultimative Grenzen vor. Dabei beginnt das Protokoll recht verheißungsvoll: „der erste Blick des Tages in den Himmel, um zu sehen, ob er trägt“. (10)

Angelika Stumvoll, Die Silbentreppe

h.schoenauer - 10.09.2025

Angelika Stumvoll, Die SilbentreppeDie Silbentreppe spricht quasi als einzelnes Wort alle Sinne an. Auf dem poetischen Bildschirm der Lektüre sehen wir eine silberne Glitzershow, auf der die Gefühlskristalle zu flirren beginnen, während sie zu uns herabsteigen. Als Graphik nimmt die Silbentreppe einen graphitenen Glanz an und schwärmt über den Seiten aus. Und als Gedicht schließlich beginnen die Silben zu klirren wie ein Windspiel im Morgenlicht.

Angelika Stumvoll arrangiert Gedichte und Bilder in Blöcken, wobei sich die Struktur sowohl der Bilder als auch der Gedichte zunehmend verdichtet. Öfters sind Texte zuerst als Schriftbild eines Gedichtes zu sehen, in einem nächsten Block taucht dieses Gedicht dann als „graphische Skulptur“ auf, wie etwa das Titel gebende Silbentreppe. Aus dieser Gedicht-Graphik-Komposition lässt sich das Grundkonzept für die Anordnung von Silben und Silben-Pixeln herauslesen.

Franzobel, Oberösterrrrreich

h.schoenauer - 01.09.2025

Franzobel, OberösterrrrreichDas föderalistische System Österreichs bringt es mit sich, dass in der Literatur die Bundesländer schon seit Jahren in einem heimlichen Wettbewerb stehen, wer den groteskesten „Bundesländerroman“ zustande bringt. Dabei ist der Bundesländerroman zu einem eigenen Genre geworden, in dem sich ähnlich wie im Landkrimi eine Weltdramaturgie mit regionalen Absonderlichkeiten schmückt.

Was für die Steiermark Reinhard P. Grubers „Hödelmoser“, für Tirol „Der Schluiferer“, für Kärnten Werner Koflers „Guggile“ ist für Oberösterreich das gleichnamige Heimatbuch von Franzobel, freilich scharf mit fünffachem R geschrieben.

Stefan Schmitzer, loop garou

h.schoenauer - 27.08.2025

Stefan Schmitzer, loop garouLoop ist beim ersten Hinhören ein Begriff, bei dem es drunter und drüber geht wie in der sprichwörtlichen Achterbahn. Tatsächlich gibt es eine Achterbahn in Belgien mit dem Namen Loop Garou. Im Allgemeinen bedeutet der Begriff freilich Werwolf, was genauso magisch mehrdeutig ist wie Loop.

Stefan Schmitzer greift für seine Textsammlung auf zwei antike Verfahrensweisen zurück, die Sicht auf die Welt zu erweitern. Es sind dies die Genres Invokation, was man mit Anrufung übersetzen könnte, und Katabasis, was wörtlich Hinabsteigung bedeutet.

Patricia Brooks, Lunapark

h.schoenauer - 13.08.2025

Patricia Brooks, LunaparkIm Idealfall beschreibt ein einziges Wort einen Kosmos voller Gefühle, Erinnerungen und Träume. In der Lyrik sind diese Zauberbegriffe oft in rätselhaften Gedichten versteckt, manchmal werden sie auf das Cover gespült und schalten dabei das Licht an für eine wundersame Imagination – Lunapark.

Patricia Brooks setzt mit Lunapark eine faszinierende Welt in Szene, in der es drunter und drüber geht mit Glücksversprechungen, Spielen und hellen Farben aus der Kindheit. Etwas Paradiesisches schwingt über den Gerätschaften, die als Ansichtskarten verpixelt auf einem eigenen Karussell tanzen in der Hoffnung, zu einem Selfie mit glücklichem Ausgang zu werden.

Simon Konttas, Wege der Schickung

h.schoenauer - 21.07.2025

Simon Konttas, Wege der SchickungWelches Werkzeug passt zu welchem Kunstwerk? – Wenn Literatur als Kunstwerk die Gegenwart erhellen soll, braucht es auch einen Blick auf das Genre, das als Medium diese Gegenwart betreut.

Simon Konttas blickt mit seinen 21 Sonetten einerseits auf ein unerschöpfliches Thema wie die „Schickung“, andererseits gilt sein Augenmerk dem Genre Sonett, ob es auch noch verlässlich ist, um uns Entscheidendes zu erzählen.

Oswald Egger - OUT NOW

h.schoenauer - 07.07.2025

Oswald Egger - OUT NOWWenn zwei lyrische Kerne als Projekte aufeinandertreffen, entsteht eine Art lyrische Kettenreaktion, die sich in einem plastischen Kunstwerk äußert. - Im Falle von OUT NOW lässt sich diese lyrische Plastizität als flugschrift N° 51 geradezu mit Händen und Augen greifen.

OUT NOW fußt auf zwei Genres, die einzigartig im Literaturbetrieb verankert sind. Einmal ist es die Kunst von „flugschrift“, mit der im Stile von Plakaten oder Anzeigen im öffentlichen Raum Lyrik als Aushang installiert wird. Zum anderen ist es Oswald Egger selbst, der zu einem Kunstwerk geworden ist, indem er im Dreieck Publikation, Sprachprofessur und permanenter Empfänger von Preisen den lyrischen Eigenkosmos öffentlich inszeniert.

Max Ulrich, schwindel im funkenschlag

h.schoenauer - 27.06.2025

Max Ulrich, schwindel im funkenschlagNicht nur am Titel ist von Schwindel die Rede, selbst die Augen machen eine schwindelerregende Bewegung, wenn sie über den Lyrikband gleiten, der im Handteller-großen Format sich erst allmählich fokussieren und fixieren lässt.

Max Ulrich zeigt mit „schwindel im funkenschlag“ Bilder und Gedichte, die vor allem von Mehrdeutigkeit, Verwobenheit und gezielter Unschärfe geprägt sind. So lädt der Schwindel ein, gleichermaßen an die Störung des Gleichgewichts wie auch an eine Täuschung zu denken, während der Funkenflug aus allen Essen und Schmieden auffliegt, von gebremsten Eisenbahnrädern springt oder als archaischer Brauch des Funkenschlagens über die Landschaft springt.