Thomas Schafferer, digitally remastered
Der Fachausdruck „digitally remastered“ führt bei Fans immer zu voll gespeicheltem Mund und feuchten Augen, bedeutet er doch in der Musikszene, dass längst verschollene Musikstücke, die sich nur noch als gerumpeltes Geräusch abspielen lassen, plötzlich in hoher Qualität und völliger Frische wieder zugänglich sind.
Thomas Schafferer hat jetzt für seinem Gedichtband alles remastered, was bis er bisher an Untergrundlyrik verfasst hat, und wie Moses einst mit zehn Geboten aus dem Nebel aufgetaucht ist, taucht der Autor hier mit seinen zehn ersten Gedichtbänden als strahlender Poet auf.
„Dschi-pi-two“ und „Bi-sixteen“, was nach zwei erfolgreichen Bands klingt, sind die poetisch besungenen Abkürzungen der beiden letzten Päpste. Während Johannes Paul der Zweite gerade vor den Augen der Presse mühselig literarisch aufgepäppelt stirbt, macht sich das Lyrische Ich auf nach Rom, um ein Stipendium abzuarbeiten. Als dann Benedikt der Sechzehnte vom Balkon winkt, ist die literarische Mission in Rom abgeschlossen.
Unverwechselbare Gedichte entstehen oft dadurch, dass etwas knapp verwechselt wird. In Christian Steinbachers frechem Gedichtband vom Zwirbeln setzt man als Leser gleich einmal die Zwirbeldrüse in Position, aber das ist schon wieder so eine kleine Verwechslung, gezwirbelt wird ja üblicherweise am Bart, das im Kopf drin ist die Zirbeldrüse.
Was wie eine Anleitung zum Frohsinn klingt, ist ein aufregender Gedichtband, der letztlich einen tiefen Einschnitt in die übliche Sehweise vermittelt.
So etwa könnte eine minimale Galaxis aussehen: Finsternis, Sonne, Ich. Wie Planeten kreisen bei Joachim Gunter Hammer diese Begriffe um einander, in seinen Gedichten nämlich können Zustände Festkörper werden und scheinbar feste Begriffe Zustände.
„hau ab sage ich zum mond der bleibt“ (80). Wenn man Julia Rhombergs Gedichte erst einmal neugierig durchstreift, kitzeln einen solche kleinen trotzigen Sätze wie eben vom Mond, der aller Stimmungslagen zum Trotz nie verschwindet.
„Präservativ am Stammplatz“ / „Christus ohne Kopf“. - Wie passen diese Dinge zusammen? Und wodurch unterscheiden sie sich?
Seit jener berühmten Ingeborg-Bachmann-Zeile „Böhmen liegt am Meer“ gilt das Verrutschen der Geographie als beliebtes Mittel der Lyrik, um schräge Gefühls- oder Erkenntnislagen auszudrücken.
Mit halb gekniffenem Auge durchgeblättert wirken die Gedichte vorerst graphisch ruhig wie vor dem Sturm, und die Lithographien sind so etwas wie Gebrauchsanleitungen für dynamische Prozesse.
„In der Literatur geht niemand verloren.“ - An diese beruhigende Wahrheit muss man denken, wenn man sich Podium-Porträts zu Gemüte führt.