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„Dennoch glaube ich, dass Forscher aus den Sozialwissenschaften wie allen anderen Disziplinen, Journalisten und Kommentatoren sämtlicher Medien, Gewerkschaftler und politische Aktivisten aller Richtungen, und vor allem sämtliche Bürger ernsthaft über Geld nachdenken sollten […]. Diejenigen, die viel davon haben, werden gewiss nicht vergessen, ihre Interessen zu verteidigen. Von den Zahlen nichts wissen zu wollen, dient selten der Sache der Ärmsten.“ (793)

„Das Kapital im 21. Jahrhundert“ bietet wirtschafts-historische Erklärungen für Erfahrungen, die ein großer Teil der Bevölkerung bereits seit längerer Zeit selbst unmittelbar spüren kann: Die finanziellen Möglichkeiten der breiten Schicht der Bevölkerung werden zunehmend geringer, die Einkommensschere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander.

Städte historischer Verdichtung sind immer auch mit Gewalt konfrontiert. Die ukrainische Stadt Lviv ist im letzten Jahrhundert stets auch ein Ort brachialer Vernichtung gewesen, so dass man Übersetzungen aus dieser Stadt gerne etwas abmildert. Aus dem „Tango des Todes“ ist im Deutschen jetzt das Proust-sachte „Im Schatten der Mohnblüte“ geworden.

Jurij Wynnytschuk schreibt die Geschichte Lvivs durch die letzten achtzig Jahre auf. Eine Achse läuft in den Kapitelüberschriften die Buchstaben A-Z entlang und erzählt von den Ereignissen während des zweiten Weltkriegs, als die Stadt mehrmals den Wechsel der Besatzer aushalten muss. Eine zweite Achse ist nummerisch von 1-31 aufgefädelt und zeigt einen Forscher aus der Gegenwart, der aus der Zeit aussteigt und sich dem Phänomen verschollener Todes-Melodien kümmert.

Nur selten gelingt es einem Helden, das abgehangene Spätlebensalter als geerdetes Kind auf einem Traktor zu verbringen und dabei die Leser zu verzücken.

Peter Steiners Roman vom „Sandfallenbauer“ ist beinahe ein Märchen vom geglückten Leben. Der Ich-Erzähler hat sein Leben in allen Weltteilen als Geologe und Gesteinserkunder verbracht, er kann die Erde lesen mit ihren Faltungen, Ritzen und Verwürfen. Jetzt für den Lebensabend hat er sich mitten in Amerika ein Stück unbebautes Land zugelegt und verbringt mit seiner Frau die Tage hautnah an den Poren der Erdkruste.

Die Welt ist alles, was der Fallwind ist, sagt ein kauziger Typ über die Alpen, deren Haupt-Merkmal vielleicht der Föhn ist. Und egal wo Nord- oder Südtirol tagsüber politisch hin driften, nächtens fließt der Föhn und kratzt die Bewohner auf und bringt sie in Wallung.

Bernd Schuchters „Föhntage“ erzählen die Geschichte der Südtiroler lange nach der Option und den Bombenjahren als Geschichte eines Kindes, das allmählich hinter den Wahrnehmungen seltsame Zusammenhänge ausmacht. „Man kann so eine Kindheit nur in Bilder fassen“ (23), weshalb oft wie in einer Galerie die unterschiedlichsten Aquarelle neben einander hängen und vom Passanten zu einem Erlebnis zusammengesetzt werden.

Bei der Schmelze verändert sich der Stoff und geht vom festen in den flüssigen Aggregatszustand über. Auch in der Poesie gibt es so etwas wie Schmelze, wenn sich ein Stoff während des Erzählens verändert und als Prosa-Lava über die Seiten fließt.

Markus Lindner erzählt in knapp zwanzig Ansätzen von Stoffen, die harmlos daherkommen und jäh eine Verschärfung erfahren, von Helden, die während des Berichts traumatisiert werden und von Arealen, die während des Durchschreitens unbegehbar werden.

So wie man eine Reise antritt, so wird sie auch ausfallen. Am aufmerksamsten reist, wer eine Reise nur einmal machen möchte.

Martin Kolozs hat bei seinem Indien-Trip zweierlei im Auge, einmal will er das Land auf die Tauglichkeit seiner Bilder abklopfen, und zum anderen will er die Auswirkungen der Reiseziele auf den Reisenden analysieren.

Wenn Tiere mehr als eine Sache aber weniger als ein Mensch sind, muss folglich auch unser Blick auf sie heftiger als auf Sachen aber weniger intensiv als auf Menschen ausfallen.

Bernhard Kathan vergleicht in seinem Essay diverse Ereignisse in Literatur, Forschung und Psychologie, die zu einem Aufeinandertreffen von Menschenblicken auf Tiere handeln. Während in der Erforschung des Faschismus der berühmte Denkansatz lautet „Tiere sehen dich an“, nimmt Bernhard Kathan den an und für sich neutralen Vorgang der Tierbeobachtung, um daran aufzuzeigen, welchen scheinbaren Menschenbildern wir dabei nachgehen.

In den wirklich schweren Fällen des Krimi-Daseins ist das Komplizierteste und Unverständlichste der Kommissar selbst, der durch seine bloße Existenz alles düster und unausstehlich macht.

Georg Haderers Major Schäfer ist so ein österreichisches Aufklärungsunding, das von Fall zu Fall unauflöslicher wird. Mittlerweile hat sich der Grantler und Bürokratie-Fachmann in das entlegene Schaching versetzen lassen, das im oberösterreichischen Niemandsland irgendwo im Norden jenseits der GPS-Peilung liegt.

Spätestens seit Woody Allen ducken wir europäischen Nachfahren der Hitler-Herrschaft immer wieder zusammen, wenn wir hören, wie sich der jüdische Witz oft gegen die jüdischen Witzeerzähler selbst richtet und dabei schonungslos Muster freilegt, die sich nur mit dem Witz überwinden lassen.

Alan Kaufman erzählt in seiner autobiographischen Kollektion in fein heraus gearbeiteten Erlebnislinien, wie ein sogenannter Judenlümmel in der Bronx erwachsen und schließlich auch noch Schriftsteller wird. Dabei hat es der Ich-Erzähler nicht leicht, das Besondere vom Allgemeinen zu unterscheiden, die Gevierte in der Bronx von den Quadranten am Globus und das individuelle Schicksal von der Geschichte der Menschheit. Wie in allen Geschichten, die mit der Kindheit und Jugend zu tun haben, geht es um den Erfahrungsprozess, worin sich die Helden in einer anonymen Staffage erst zu unverwechselbaren Individuen entwickeln müssen.

Am eindringlichsten lassen sich Orte porträtieren, wenn Heldinnen und Helden als Fremde von diesen sozialen Gebilden angenommen oder abgestoßen werden. Die Protagonisten vereinen dabei in ihrer kombinierten Innen- und Außensicht fixe Eindrücke der Einheimischen mit elastischen Gedankengängen aus anderen Kulturen.

Ada Zapperi Zucker lässt in ihren Erzählungen meist eine Person von außen in die versteifte Idylle Südtirols kommen, womit automatisch Reibungspunkte entstehen und Aufklärungsarbeit angesagt ist.