Lautlesen in der Volksschule (Teil 1)

Im Rahmen der Ausbildung zur Schulbibliothekarin hat sich Liane Praxmarer mit Lautleseverfahren im Unterricht beschäftigt. Lesen Sie den  ersten Teil ihrer dreiteiligen Artikelserie:

„Wie motiviere ich meine Schüler dahingehend, dass sie flüssig und vor allem gerne lesen?“ Gerade das laute Vorlesen gehört nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Kinder. Haben die Mitschüler so die Möglichkeit, die eigenen Schwierigkeiten und Schwächen direkt zu erkennen? Denn wer kennt sie nicht, die Situationen bei denen man mit hängenden Schultern von den anderen Schülern bestenfalls angestarrt, wenn nicht sogar gehänselt wird.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass gerade diese Kompetenz im Berufsleben heute sehr oft benötigt wird. Wie oft müssen eigene Ideen vor den Kollegen vorgetragen werden, wie oft ist Teamarbeit mit folgender Präsentation des Inhalts vonnöten? Gerade deshalb ist es meiner Meinung nach von unglaublicher Wichtigkeit, gerade das flüssige laute Lesen zu trainieren und gleichzeitig die Scheu zu verlieren, vor anderen zu stehen und anhand seiner Notizen zu referieren.

Deshalb habe ich im letzten Schuljahr das Vorlesen in den Mittelpunkt des Leseunterrichts gestellt und möchte nun auf das Lautlesen genauer eingehen.

Leseflüssigkeit

Leseflüssigkeit bedeutet, längere Textpassagen ohne Fehler flüssig zu lesen. Das heißt, dass man „lesen kann, ohne zu merken, dass man liest.“ (Rosebrock u.a. 2011, S. 15) Sobald der Dekodierungsprozess der Wörter automatisiert ist, kann die volle Aufmerksamkeit auf das Sinnverständnis gelegt werden. Wird deshalb durch verschiedenste Trainingsmaßnahmen die Leseflüssigkeit gesteigert, verbessert sich automatisch auch das Textverständnis. Aliquot zur Leseflüssigkeit steigert sich automatisch auch die Lesemotivation und Lesefreude. (Rosebrock u.a. 2011, S. 16)

Daniel Nix führt diese Gedanken noch weiter. Er meint, dass die Ausbildung von Leseflüssigkeit in der Leseforschung als „eine der zentralen literalen Erwerbsaufgaben der mittleren Kindheit“ angesehen wird. (Nix 2011, S. 56)

Deshalb möchte ich auf vier Aspekte genauer eingehen:

  • Genauigkeit beim Lesen

Gute Leser lesen genau und schnell und sind in der Lage, ihre Fehler selbständig auszubessern. Schwache Leser bemerken oft ihre Fehler nicht und verfremden den Sinn eines Satzes. Damit wird das Textverständnis erschwert. (Rosebrock u.a. 2011, S. 16)

  • Automatisierung beim Lesen

Darunter versteht man, dass mühelos und ohne stocken gelesen wird. Ein geübter Leser hat einem ungeübten Leser den gravierenden Vorteil, dass er rasch liest und dabei auch den Sinn des gelesenen Wortes versteht. (Rosebrock u.a. 2011, S. 16)

  • Schnelligkeit beim Lesen

Gerade in meiner derzeitigen Schulklasse ist dies der Punkt, der am meisten auffällt. Einige Schüler der 3. Stufe lasen sicherlich doppelt so schnell wie einige der 4. Stufe. Ein Kind mit hoher Lesegeschwindigkeit muss es nicht nur schaffen, ein Wort schnell und gleichzeitig genau zu erfassen und zu lesen, sondern auch die Wörter eines Satzes in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Gerade schwache Leser schaffen dies bei unbekannten Texten kaum.

Es gibt aber auch Texte wie zum Beispiel Gedichte, die besonders langsam und betont vorgelesen werden müssen. Diese kommen gerade den leseschwachen Kindern meiner Erfahrung nach sehr entgegen, da Gedichte in der Volksschule meist recht kurz sind und es den Kindern deshalb weniger schwer fällt, den Text öfter zu lesen.

  • Sinngestaltung und Betonung beim Lesen

Mir ist besonders bei schwachen Schülern aufgefallen, dass es ihnen schwerfällt, die zusammengehörenden  Satzteile zusammenzulesen. Dadurch ist es fast unmöglich, dem Inhalt des Textes zu folgen. Gleichzeitig fiel dies den weniger guten Lesern gar nicht auf, was darauf schließen lässt, dass sie generell große Schwierigkeiten mit dem Textverständnis haben. Kompetente Leser hingegen betonen die Sätze schon beim erstmaligen Lesen richtig.

Literatur

Rosebrock, Cornelia, Nix, Daniel, Rieckmann, Carola , Gold, Andreas: Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe. Seelze 2011 (Friedrich Verlag)
Nix, Daniel: Förderung der Leseflüssigkeit. Theoretische Fundierung und empirische Überprüfung eines kooperativen Lautlese-Verfahrens im Deutschunterricht. Weinheim und München 2011 (Juventa Verlag)

 

Text und Fotos: Liane Praxmarer

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