Giancarlo De Cataldo, Der König von Rom

Große Kulturen entwickeln auch immer eine eigene politische Kultur. Italien ist einerseits eine sehr junge Demokratie, andererseits eine sehr dynamische, oft ins Extrem gehende.

Der Schriftsteller und Richter Giancarlo De Cataldo hat aus Gründen der politischen Hygiene eine eigene Erzählgattung entwickelt: Den Italo-Thriller der politischen Art.

Seine Thriller-Tetralogie (Schmutzige Hände / Romanzo Criminale / Zeit der Wut / Der König von Rom) über die Zusammenhänge von Geheimdiensten, Mafia, Parteipolitik und Gangstertum beschreibt ein Stück Zeitgeschichte als Sonderfall.

Nach dem Ende des kalten Krieges wird nämlich von den Geheimdiensten in Ost und West die Bedeutung Italiens neu aufgemischt, die Aufgabenstellung der Mafia wird neu definiert und auch die politischen Parteien müssen reorganisiert werden. Am Ende dieser Entwicklung kommt sinnigerweise Berlusconi an die Macht, eine Figur, die tatsächlich einem Thriller entsprungen zu sein scheint.

Im Thriller „Der König von Rom“ überlegt der Straßenjunge Libanese, dass er aufs Ganze gehen muss, will er dem miesen Leben entfliehen. Wer sich mit kleinen Deals über Wasser hält, hat keine Perspektive. Schon 1976, also noch mitten im alten italienischen System, schließt er daher Freundschaften mit Camorra-Hengsten, wobei die Kunst darin besteht, wohl dosiert vorzugehen.

Im Freundschaftscodex darf man keine übertriebenen Gegenleistungen verlangen, sondern muss alles als Freundschaftsdienst verkaufen. Dennoch braucht Libanese eine riesige Summe, um ins Heroingeschäft einzusteigen, die Entführung eines Bekannten soll das Startkapital lockermachen für eine Karriere als Gangsterkönig von Rom.

Die Story geht auf Protokolle aus wahren Fällen zurück. Im Nachwort beschreibt Giancarlo De Cataldo, wie er als Richter sich geradezu auf den Fall gestürzt hat, weil er ihn nicht nur juridisch sondern auch literarisch aufarbeiten wollte. Zu einem funktionierenden Rechtsstaat gehört es nämlich, dass über die Verbrechen gesprochen und Tätern wie Opfern eine Sprache verliehen wird.

Und tatsächlich kommt die Psyche der Gangster-Helden immer wieder kurz und bündig an die Oberfläche der Gespräche.

„Es musste einen Toten geben. Das würde seine Wut vielleicht besänftigen.“ (147)

„Hin und wieder muss man einen Mord begehen, auch wenn er sinnlos erscheint.“ (23)

Der Untergrund hat wie die Politik eine eigene Sprache, worin die kältesten Sachen in einem Comics-Stil ausgesprochen werden. „Frauen sind zwar etwas Wunderbares. Aber sie müssen lernen, dort zu bleiben, wo sie hingehören.“ (64)


Giancarlo De Cataldos Roman erzählt fiktiv von jener Realität, die zwanzig Jahre später als Bunga-Bunga und Berlusconi-Desaster ans Licht der Bildschirme gekommen ist.

Giancarlo De Cataldo, Der König von Rom. Thriller. A. d. Ital. von Karin Fleischanderl. [Orig.: Io sono il libanese, Turin 2012]. Mit einem Nachwort von Giancarlo De Cataldo und Tobias Gohlis.
Bozen, Wien: folio 2013. 174 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-619-1.

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Giancarlo De Cataldo, Der König von Rom
Wikipedia: Giancarlo De Cataldo

 

Helmuth Schönauer, 20-03-2013

Bibliographie

AutorIn

Giancarlo De Cataldo

Buchtitel

Der König von Rom

Originaltitel

Io sono il libanese

Erscheinungsort

Bozen

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Folio-Verlag

Übersetzung

Karin Fleischanderl

Seitenzahl

174

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-619-1

Kurzbiographie AutorIn

Giancarlo De Cataldo, geb. 1956 in Taranto, lebt als Schriftsteller und Richter in Rom.