Stephan Groetzner, Die Kuh in meinem Kopf

Wenn man als Leser literarisches Neuland betritt und die heroischen Zusammenhänge des Gelesenen nicht kennt, beginnt man oft ehrfurchtslos zu lachen.

Diesen natürlichen Reflex, Philosophie und Literatur ohne großen Gestus und Akademitis zu betrachten, nützt Stephan Groetzner für seine entlarvenden Miniaturen zur großen Welt der Universalgelehrsamkeit.

Neugierig und logisch wie ein Kind setzt er sich mit den gängigen Mythen auseinender, vor denen oft ganze Jahrgänge in die Knie gehen müssen.
So lässt sich beispielsweise diese wundersame Geschichte vom „Warten auf Godot“ in einen Minutensketch umwandeln.

00. Am Ende stehen zwei Nihilisten am Rande des Nichts und betrachten die große Leere, die sich dort weitet. Beide haben keine Schmerzen. Nihilist eins schweigt. Nihilist zwei schweigt. Die große Leere gähnt. Kein Baum. Kein Strauch. Kein Zwitschern. Kein Plätschern. Weit und breit nicht eine Nichtigkeit. Unhörbar murmelt das Nichts. Stille. Stille.- - - (27)

In diesem knappen Ton werden auch die Philosophie Derridas, die essentiellen Sätze von Marx oder die Sprachphilosophie Wittgensteins abgehandelt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit bei Wittgenstein eher seinem Clan als dessen Philosophie.

Hatte der Pianist nur einen Arm und der Denker nur ein Gehirn, so litt der Schweiger an Logorrhö. (57)

Auch der edle Franz Schubert kriegt von Stephan Groetzner eines über die Mütze gezogen, sein Schwammerlquartett führt nach Genuss zu Vergiftungserscheinungen.

Als Leitmotiv für allerlei nihilistische und dadaistische Überlegungen gilt schließlich die Kuh, für die es kein Problem ist, in allen Sprachen und Kulturkreisen auszubüchsen und im Hirn der jeweiligen Denker zu landen. Das Philosophieren über die Kuh im Kopf führt schließlich zu einem interessanten philosophischen Ansatz, der es durchaus mit großen Denkern aufnimmt, „Vom praktischen Wert nützlicher Vorstellungen.“

Unterstützt wird diese Arbeit von glorreichen Fußnoten, die jeweils aus einem Gedankengebäude, das abseits dieser Welt steht, frische Zitate in die Diskussion schaufeln.

In einem Abspann gibt es dann noch eine Ode an Wörter, die mit -los enden, im Deutschen kann man quasi jeden Begriff dadurch zunichtemachen, dass man ihm hinten ein -los anhängt. Von arbeitslos, brotlos und chancenlos, geht es dann über mutlos, nutzlos, obdachlos stracks ins Finale, das zahnlos heißt. Ein Bonus-Eintrag beschäftigt sich noch mit dem Buchstaben SCH und besingt schwerelos.

Stephan Groetzners Analyse der philosophischen Ausritte und sprachlichen Absurditäten ist durchaus unterhaltsam und ziemlich realistisch. Wenn man beim Vorbeigehen nämlich zwei Anwendern dieser Philosophie zuhört, weiß man ja nie, wer von den beiden gerade ausgerastet ist. Aber auch als Leser dieser „Kuh im Kopf“ gilt man wahrscheinlich für Zeitgenossen als ziemlich ausgerastet

Stephan Groetzner, Die Kuh in meinem Kopf.
Graz: Droschl 2012. 136 Seiten. EUR 16,-. ISBN 978-3-85420-794-8

 

Weiterführender Link:
Droschl-Verlag: Stephan Groetzner, Die Kuh in meinem Kopf

 

Helmuth Schönauer, 10-02-2012

Bibliographie

AutorIn

Stephan Groetzner

Buchtitel

Die Kuh in meinem Kopf

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Droschl-Verlag

Seitenzahl

136

Preis in EUR

16,-

ISBN

978-3-85420-794-8

Kurzbiographie AutorIn

Stephan Groetzner, geb. 1965 in Hamburg, lebt seit 1996 in Berlin.