Alice Gabathuler, Matchbox Boy

„In meiner Geschichte soll der Böse drankommen. Darum geht es doch, oder? Am Ende wird der Böse verhaftet oder erschossen. Auf jeden Fall kommt er dran. Vielleicht denkt Gott noch darüber nach, wer hier der Böse ist.“ (39)

Die Leser steigen gleich mitten in das Finale des Psychothrillers ein und erleben die Icherzählerin Jori an das Sprungbrett eines Swimmingpools angekettet. Ihr Entführer hat auf einer Gratisseite für Blogger einen Abstimmungsbereich eingerichtet, mit dessen Hilfe die Teilnehmer entscheiden können, was mit ihr passieren soll

Das ist das Ende. Wollt ihr zusehen?
JA: 49732 (93%)
NEIN: 3484 (7%)
Stimmen: 53216 (S. 5)

Was war passiert? Jori ist siebzehn Jahre alt. Ihre Mutter kommt aus einer einflussreichen Familie in St. Gallen und ihr Vater hat sich in einer Bank ganz nach oben arbeiten können. Sie lebt im Luxus-Villenviertel in St. Gallen, wo sie eine Eliteschule besucht. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Leonie und Dany stehen sie in der Hackordnung der Schule ganz oben, was sie ihre Mitschüler auch jeden Augenblick spüren lassen.

„Für mich war es einfach: Geld ist Geld. Hauptsache, es reicht für teure Klamotten und ein paar Annehmlichkeiten im Leben, die den meisten anderen verwehrt blieben. Schließlich wollte der Neid der Mitschülerinnen gepflegt werden.“ (43)

Leonie, deren Familie zu den reichsten der Gegen gehört, ist die schönste der drei Freundinnen und gilt als unschuldige Schönheit, sich für ihren Traumprinzen aufbewahrt, während Dany die Rolle der Edelzicke spielt für die es bei Beziehungen keine Grenzen gibt. Jori steht zwischen den beiden.

Als Jori Eltern im Sommer mit ihren beiden Brüdern in den Urlaub fliegen, kann sie ihre Tante Helene überreden, nach St. Gallen zu kommen, um auf sie aufzupassen. Als erstes tauscht Helene den alten Poolreiniger und Gärtner gegen einen jungen, athletischen und gutaussehenden Poolreiniger aus. Die drei Mädchen beschließen rasch mit dem „Poolboy“, den sie später „Matchbox Boy“ nennen, zu spielen und ihn zu verführen.

Mit eindeutigen Bemerkungen und ohne Bikinioberteil machen sich zunächst Dany und Jori an den „Matchbox-Boy“ heran, der sie jedoch einfach abblitzen lässt. Voller Wut beginnen die Mädchen, dem Poolreiniger das Leben schwer zu machen. Als schließlich auch noch Leonie versucht ihn zu verführen, folgt er ihr ins Gerätehaus. Als Leonie bald schreiend zurückkommt, beschuldigt sie ihn der versuchten Vergewaltigung. Als ihm die Mädchen mit einer Anzeige drohen, ergreift er panisch die Flucht.

An ihrem ersten Schultag werden Jori, Dany und Leonie von einer Hiobsbotschaft heimgesucht. Über dem Eingang der Schule steht in einem knallroten Schriftzug:

„KENNST DU DIE SCHMUTZIGEN GEHEIMNISSE DEINER MITSCHÜLERINNEN? Darunter stand eine Webadresse: matchbox-boy.blogspot.com“ (80)

Jori Dany und Leonie sind sich sofort im Klaren, dass die Geschichte sie betreffen wird und Leonie muss zugeben, dass ihr altes Handy verschwunden ist, wo sich alle ihre Geheimnisse finden lassen würden. Sehr rasch zerbricht die labile Freundschaft der drei Mädchen, als im Blog des Machtbox-Boy abgestimmt werden kann, welches der drei Mädchen zuerst öffentlich bloßgestellt und bestraft werden soll. Immer mehr Teilnehmer nehmen an der Abstimmung teil und das Leben der Mädchen gerät immer mehr aus den Bahnen.

Alice Gabathulers Psychothriller lotet geschickt die Grenzen menschlichen Verhaltens aus. Dabei verzichtet sie darauf, die Mädchen als unschuldige Cybermobbing-Opfer hinzustellen, sondern legt schonungslos auch deren dunkle und negative Seiten offen. Besonders erschreckend zeigt sich dabei das Verhalten der angeblichen Freunde, die sie ohne Mitleid fallen lassen und sich genüsslich an den Abstimmungen über ihr Schicksal beteiligen.

Der Wechsel zwischen den Zeitebenen treibt die Handlung unaufhörlich voran und lässt die Leserinnen und Leser quasi live miterleben, wie Menschen von oben nach ganz unten gestoßen werden, bis am Ende nichts mehr übrig bleibt, wo sie gesellschaftlich weiter existieren könnten. Gabathuler kratzt dabei von der maskenhaften Oberfläche der einzelnen Charakteren eine Schicht nach der anderen herab und lässt damit geschickt die Rollen von Täter und Opfer verschwimmen.

Matchbox-Boy ist ein schonungsloser Thriller, der sich von der ersten bis zur letzten Seite voller Spannung lesen lässt und dabei so ganz nebenbei die Gefahren sozialer Netzwerke und des Internets offenbart. Matchbox-Boy ist auch ein Appell an alle Jugendlichen, sich der möglichen Gefahren bewusst zu machen, die in der Verbreitung persönlicher Daten und Informationen in sozialen Netzwerken liegen. Inhalt und Sprache machen das Buch für Jugendliche von 16 Jahre aufwärts geeignet.

Alice Gabathuler, Matchbox Boy. Ab 14 Jahren
Stuttgart: Thienemann-Verlag 2012, 288 Seiten, 13,40 €, ISBN 978-3-522-20159-9

Weiterführende Links:
Thienemann-Verlag: Alice Gabathuler, Matchbox Boy
Homepage: Alice Gabathuler

 

Andreas Markt-Huter, 11-02-2013

Bibliographie

AutorIn

Alice Gabathuler

Buchtitel

Matchbox Boy

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Thienemann-Verlag

Seitenzahl

288

Preis in EUR

13,40

ISBN

978-3-522-20159-9

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Alice Gabathuler wurde in der Schweiz geboren und arbeitete als Radiomoderatorin, Werbetexterin und Englischlehrerin. Heute ist sie Lehrerin in einer privaten Englischschule und freiberufliche Autorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Werdenberg, einem kleinen Ort in der Ostschweiz.