Ellen van Velzen, Der Turm der Drachenlenker
„Hinter den ausgedehnten Feldern im Süden lag der Wald, dunkel und geheimnisvoll, und dahinter die weite Welt. Die Welt, in der, den Geschichten zufolge, die unter uns die Runde machten, allerhand Ungeheuer hausten.“ (5)
Alten Geschichten zufolge wurde das Dorf, in dem Jani aufwächst, vor langer Zeit von dunklen Kreaturen bedroht. Mit Hilfe von speziellen Flugdrachen ist es bisher gelungen, diese bösen Kräfte vom Leben im Dorf fernzuhalten. Alter Drache und Neuer Drache sind für die Betreuung und den Flug der Drachen verantwortlich. Aber auch wenn ihnen die Kinder mit Ehrfurcht und Angst begegnen, werden sie als Außenseiter betrachtet und heimlich ausgelacht.
Schon zu lange ist im Dorf nichts mehr geschehen, als dass die Bewohner nicht an den alten Geschichten, an der Wichtigkeit der Drachen und an der Arbeit der Drachenlenker zu zweifeln begonnen hätten. Auch Jani fühlt sich als Außenseiter, der bis auf Mond, seine engste Freundin, von den meisten anderen Kindern zumeist gehänselt wird. Vor allem seine Begeisterung für die Drachen, von denen er sich magisch angezogen fühlt, trägt ihm immer wieder das Gespött der Kinder ein.
Eines Tages kommt es im naheliegenden Wald des Dorfes zu einem fürchterlichen Unglück. Amsel, eine alte Frau aus dem Dorf, welche die Holzfäller im Wald besuchen hat wollen, wird von einem umstürzenden Baum erschlagen. Einige Zeit später werden die Dorfbewohner vom Schrei eines Phönix erschüttert. Die Dorfkinder beschließen Jani, unter Mithilfe seiner Freundin Mond, einen Streich zu spielen. Sie locken ihn in den verbotenen Wald, um ihn als Monster verkleidet zu erschrecken. Zutiefst von seiner Freundin Mond enttäuscht, beschließt Jani sich den Drachenlenkern zuzuwenden, um bei ihnen in die Lehre zu gehen.
Während sich Jani von der väterlichen, freundlichen Art von Alter Drachenlenker angezogen fühlt, macht ihm das abweisende und zornige Verhalten von Neuer Drachenlenker zunehmend Angst. Als Jani beim Steigenlassen eines Drachen aus Ungeschicklichkeit einen wertvollen Drachen zerstört, wird er von Neuer Drachen mit einem Riemen hart bestraft.
Jani muss einen neuen Drachen als Ersatz bauen, beschließt aber nachher seine Lehre bei den Drachenlenkern wieder zu beenden. Währenddessen beginnen sich die Anzeichen drohenden Unheils aus dem Wald zu mehren, das sich unmerklich dem Dorf zu nähern beginnt. Nur die Drachenlenker und Jani haben die Möglichkeit der Bedrohung entgegen zu treten.
„Der Turm der Drachenlenker“ ist ein Buch voller zarter Magie, das ganz auf die Fantasie seiner jungen Leserinnen und Leser vertraut, die es in eine abgeschiedene, geheimnisvolle und unbekannte Welt, wie im Mittelalter zu entführen vermag. Im Mittelpunkt stehen die Themen Hilfsbereitschaft, Außenseitertum und Vorurteile, die umso geringer werden, je besser sich Menschen kennenlernen.
Vor allem die überaus lebendige Schilderung der Hauptcharaktere Jani, Alter Drachen und Neuer Drachen sowie der zwischenmenschlichen Spannungen und Abgründe im Dorf erzeugen eine übgeraus dichte Atmosphäre, welche die Leserinnen und Leser von der ersten bis zur letzten Seiten in ihren Bann zu ziehen vermag.
Ein überaus spannender und empfehlenswerter Fantasieroman, der ganz auf überladene Gruselaction verzichtet und ganz auf aus seine starke, fantasievolle Sprache vertraut.
Ellen van Velzen, Der Turm der Drachenlenker. Übers. v. Meike Blatnik, [Orig. Titel: Jonge Vlieger], ab 11 Jahren
Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2015, 256 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-8369-5854-7
Weiterführender Link:
Gerstenberg Verlag: Ellen van Velzen, Der Turm der Drachenlenker
Andreas Markt-Huter, 11-01-2016