Maryrose Wood, Aller Anfang ist wild

„Kommt heraus, damit ich euch sehen kann.“ Die drei Wesen gehorchten – aber es waren keine Hunde oder Ponys oder irgendwelche anderen Vierbeiner. Es waren drei Kinder und sie hatten ihre glänzenden, wachsamen Augen auf Penelope geheftet wie scheue Tiere. (43f)

Penelope Lumley ist fünfzehn Jahre alt und Absolventin des Swanburne-Instituts für kluge Mädchen aus armen Verhältnissen. Ihre Schuldirektorin Miss Mortimer, die von Penelope über alles verehrt wird, hat die Stellenanzeige, in der eine Gouvernante für drei lebhafte Kinder auf Ashton Place entdeckt, woraufhin sich die junge angehende Erzieherin auf den Weg in das Herrenhaus begibt, um sich für die geheimnisvolle Stelle zu bewerben.

Auf Ashton Place wird sie zunächst von der leitenden Haushälterin aber etwas nervösen Mrs Clarke empfangen. Auf ihrem Weg zu Lady Constance, der jungen Ehefrau von Lord Frederick, den Hausherren, glaubt Penelope merkwürdige Geräusche zu hören, die sie an das Heulen von Hunden oder Wölfen erinnern. Auch Lady Constance macht einen überaus nervösen Eindruck und wirkt erst zufrieden, als Penelope bereit ist, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben.

Nachdem sie ihr erstes eigenes Zimmer in Empfang genommen hat, wird sie neuerlich von dem merkwürdigen Geheul angezogen, das aus dem Stall zu kommen scheint. Penelope geht der Sache nach und entdeckt, dass die Ursache für das Geheul weder von Hunden noch von anderen Tieren stammt, sondern von drei Kindern im Alter von ungefähr zehn, sieben und fünf Jahren.

Von Lord Frederick erfährt Penelope, dass er die Kinder auf der Jagd gefangen und in seinem Stall untergebracht habe. Er beschließt den Kindern die ausgefallenen Namen Alexander, Beowulf und Cassiopeia zu geben. Penelope drängt darauf, die Kinder in einem Zimmer im Herrenhaus unterzubringen, wo sie mit ihrem Unterricht beginnt.

Die Kinder erweisen sich als überaus gelehrig und sehr rasch gelingt es der jungen Gouvernante das Vertrauen der heulenden Kinder zu gewinnen. Nur wenn sich ein Eichhörnchen in die Nähe der Kinder wagt, erwacht in den Kindern das Jagdfieber und lässt sie außer Kontrolle geraten. Penelope pflegt einen regen Briefwechsel mit ihrer ehemaligen Direktorin Mrs Mortimer, in dem sie von ihrer Arbeit auf Ashton Place und ihren Schützlingen berichtet.

Während der Unterricht mit den Kindern zügig vorangeht, machen ihre Arbeitgeber Lord Frederick und Lady Constance einen immer merkwürdigeren Eindruck. Eines Tages belauscht sie die beiden, als sie sich für die drei Kinder gerade einen Nachnamen überlegen.

Er klang mit einem mal streng. „Diese drei Streuner sind keine Ashtons. Nicht im Geringsten. Sie sind in der Tat die Unerziehbaren – und so wollen wir sie von jetzt an nennen.“ (91)

Als Lady Ashton bemerkt, dass die Kinder unter Penelopes Obhut rasche Fortschritte bei der Erziehung und Bildung machen, beschließt sie, alle am geplanten Weihnachtsball auf Ashton Place einzuladen, um den Gästen die Erziehungserfolge mit den „Unerziehbaren“ vorzuführen. Nur Penelope ist alles andere als begeistert von dieser Vorstellung. Einerseits versucht sie den Unterricht der Kinder noch mehr voranzutreiben, andererseits fürchtet sie, dass Lord Frederick und Lady Constance nichts Gutes mit den Kindern vorhaben.

Maryrose Woods Geschichte von den wilden Kindern aus dem Wald ist eine spannende Version der „Kaspar Hauser-Geschichte“. Dabei können die jungen Leserinnen und Leser  die sympathischen und liebenswerten sogenannten „Wilden“ oder „Unerziehbaren“ sofort in ihr Herz schließen, während die sogenannten gebildeten „Herrschaften“ als gefühllos, egozentrisch und bar jeglicher Herzensgüte erscheinen.

Beeindruckend ist die Figur der Gouvernante Penelope Lumley, die sich trotz ihrer Jugend gegen Ungerechtigkeit und gegen alle Widerstände für das Wohlergehen der Kinder einsetzt. Eine spannende und überaus lesenswerte Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite ein geheimnisvolles Lüftchen umgibt, und wo die allgemeine Vorstellung von „normal“ und „nicht normal“ gehörig in Frage gestellt wird.

Maryrose Wood, Aller Anfang ist wild. Aus der Reihe: Das Geheimnis von Ashton Place, übers. v. Eva Plorin [Orig. Titel: The Incorrigible Children of Ashton Place: The Mysterious Howling] ab 11 Jahren
Stuttgart: Thienemann-Verlag 2012, 304 Seiten, 12,95 €, ISBN 978-3-522-18296-6

Weiterführende Links:
Thienemann-Verlag: Maryrose Wood, Das Geheimnis von Ashton Place. Aller Anfang ist wild
Homepage: Maryrose Wood (engl.)

 

Andreas Markt-Huter, 12-03-2013

Bibliographie

AutorIn

Maryrose Wood

Buchtitel

Aller Anfang ist wild

Originaltitel

The Incorrigible Children of Ashton Place: The Mysterious Howling

Erscheinungsort

Stuttgart

Erscheinungsjahr

2012

Verlag

Thienemann-Verlag

Reihe

Das Geheimnis von Ashton Place

Übersetzung

Eva Plorin

Seitenzahl

304

Preis in EUR

12,95

ISBN

978-3-522-18296-6

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Maryrose Wood wuchs auf Long Island auf und arbeitete viele Jahre als Schauspielerin und Regisseurin und erhielt zahlreiche Preise als Bühnenautorin. Sie lebt mit ihren zwei Kindern, zwei Katzen und einem kleinen Hund in New York.