Nora Frisch, Notizen zum Alltag in China
„Ihr Kompass zeigt nach Süden. Sie schreiben in Bildern und essen mit Stäbchen. Sie trauern in Weiß und heiraten in Rot. Der Nachname steht vorne. Die Suppe kommt dafür zum Schluss. In China ist vieles anders.“ (7)
Es sind die Dinge des Alltags, welche die verschiedenen Kulturen voneinander unterscheiden. Manche Unterschiede lassen sich schon auf den ersten Blick erkennen, andere bleiben den Außenstehenden oft ein ganzes Leben lang verborgen. China, das große Land im fernen Osten, öffnet sich immer mehr dem Blick der Europäer und immer mehr Menschen beginnen sich für die große und fremde Kultur Chinas zu interessieren.
Nora Frisch bietet mit ihrem liebenswerten Buch „Notizen zum Alltag in China“ einen überaus unterhaltsamen und informativen Einblick in das Leben und die Kultur Chinas. Nach einer kurzen Einführung in die wichtigsten Hintergrundinformationen zur chinesischen Sprache und Schrift, wird die große Bedeutung von Zahlen und ihre Symbolik erläutert.
Ungünstig ist hingegen der Klang der Zahl 4 […]. Es hört sich an wie sterben […]. In vielen chinesischen Flugzeugen gibt es daher keine vierte Sitzreihe, in Hotels kein viertes Stockwerk, und sogar der 40. Geburtstag wird von abergläubischen Chinesen einfach nicht gefeiert. (20)
Aber auch Farben haben ihre eigene Bedeutung und das Schönheitsideal erscheint im Westen ebenso fremd, wie das überaus strenge Schulsystem, das so manche Schüler erst nach 22:00 Uhr oder später ins Bett kommen lässt. Ruhig sein und auswendig lernen werden der Entwicklung einer persönlichen Meinung vorgezogen und wenn die großen Schulabschlussprüfungen auf der Tagesordnung stehen, herrscht Ausnahmezustand im Land.
Wie in den meisten Kulturen lassen sich auch in China, wenn es ums Essen geht, besonders bemerkenswerte Unterschiede ausmachen. Essen ist für Chinesen nicht „nur Nahrungsaufnahme“ sondern soll Yin und Yang im Körper im in Gleichgewicht halten. Dafür gelten rülpsen, schmatzen und schlürfen als allgemein anerkannt.
Neben der großen Bedeutung des Horoskop, den Eigenarten der traditionellen chinesischen Kleidung, den chinesischen Festen im Jahreslauf, der chinesischen Art Hochzeit zu feiern erfahren wir auch einige Besonderheiten aus dem gesellschaftlichen Leben der Chinesen, wie die wichtige Rolle sozialer Netzwerke, ohne deren Verständnis es auch westlichen Geschäftsleuten schwerfällt, wichtige Kontakte herzustellen.
Zur Sprache kommen aber auch die chinesische Einzelkindpolitik und der geringe Stellenwert von Mädchen in der chinesischen Gesellschaft. Neben Höflichkeitsformen, die sich durchwegs von den üblichen Vorschriften in Europa unterscheiden und dem Verhältnis der Chinesen zu Tieren, werden auch das Verhältnis der Chinesen zu Religion und Glaube anschaulich vorgestellt.
Nora Frisch gelingt es mit einem geübten Blick für das wesentliche und bemerkenswerte einen spannenden und immer wieder überraschenden Einblick in das chinesische Alltags- und Kulturleben zu eröffnen. Gleichzeit wird einem als Leserin oder Leser bewusst, wie wenig wir über das Leben in China wissen, was auch hilft, das eigene Alltagsleben und die eigene Kultur ein wenig zu relativieren. Ein überaus empfehlenswertes und reizvoll zu lesendes Sachbuch, für ältere Jugendliche und Erwachsene, die sich für fremde Kulturen und Lebensweisen interessieren.
Nora Frisch, Notizen zum Alltag in China. Aus der Reihe: Der Rote Faden durchs Reich der Mitte, ill. v. Gregor Körting, ab 16 Jahren
Esslingen: Drachenhaus Verlag 2013, 142 Seiten, 17,50 €, ISBN 978-3-943314-05-2
Weiterführender Link:
Drachenhaus Verlag: Nora Frisch, Notizen zum Alltag in China
Andreas Markt-Huter, 24-10-2014