Wieland Freund, Wecke niemals einen Schrat!

„Was geschieht mit einem Elf, an dem ein Schrat klebt?“ Das war Eiberts letzte Frage. Denn als auch sie unbeantwortet blieb, trat Wacholder aus dem Schatten des Kinderbaums. Einen Moment lang, während in Jannis‘ Ohren einen Art Holundersturm tobte, tuschelten der Haushofmeister und der Storch miteinander. (31)

Jannis und Motte sind zwei jungen Elfenkinder und dicke Freunde. Während Jannis nichts langweiliger findet als zu lernen und dafür viel lieber in den Bäumen frei herum klettert und sich schon seinen eigenen Kobel zum Schlafen baut, gilt seine Freundin Motte als beste Schülerin unter den Elfen. Es gibt kaum eine Stelle im großen Lehrbuch von Amsel Salamander, die Motte nicht aus ihrem Ärmel zaubern könnte.

Als Jannis eines Morgens von Motte zur großen Gefahrenprüfung bei der Königsesche abgeholt wird, ist dieser ganz aus dem Häuschen: er hat natürlich wieder einmal überhaupt nichts gelernt. Nachdem Motte die Prüfung mit Auszeichnung besteht, ist Jannis wie betäubt kaum in der Lage die Fragen wahrzunehmen und fällt mit Pauken und Trompeten durch.

Voller Wut über die verpatzte Prüfung läuft Jannis in den Wald und macht seinem Ärger Luft, indem er wie wild auf alle Pilze einschlug, die ihm über den Weg kamen. Als er mit seinem Stock auf einem vermeintlichen riesigen Pilz herumstochert, muss er zu seinem Schrecken feststellen, dass er damit einen Schrat geweckt hat, das Schlimmste, was einem Elfen laut Amsel Salamander passieren kann.

Von nun an verfolgt ihn der Schrat Namens Wendel überall hin.

„Oha!“ Wendel kletterte ungelenk auf den untersten Felsen und streckte seine Froschfinger nach dem nächsthöhren aus. „Jannis! Oha! Ich kann doch nichts dafür. Hast mich geweckt! Schrat-Gesetz! Jannis!“ (45)

Trotz aller Versuch gelingt es Jannis nicht den hartnäckigen aber gutmütigen Wendel abzuschütteln. Als ihm seine Freundin Motte zu Hilfe kommt, flüchtet Jannis schließlich in die Wipfel des Königsbaumes, wo schließlich alles schiefgeht. Alle können den Schrat sehen, den Jannis geweckt hat, was seine Verbannung aus dem Elfenwald zur Folge hat.

Noch tief verzweifelt von seiner Verbannung, naht schon das nächste Unglück. Der böse und mächtige Zauberer Holunder schickt einen verheerenden Sturm, der Jannis und Wendel zwar nur streift, sich dafür aber mit rasender Gewalt auf den Elfenwald zubewegt. Als Jannis dorthin zurückkehrt, muss er feststellen, dass Königin Titania und ein Teil ihres Hofstaates, vor allem aber seine Freundin Motte von Holunder entführt worden sind. Wacholder, der Haushofmeister der Elfen, stellt sich als Gehilfe Holunders heraus, der mit Hilfe des Zauberers die Macht bei den Elfen für sich erringen will, sollte der verschwundene König Oberon nicht mehr auftauchen.

Jannis macht sich mit seinem Begleiter Wendel, mit dem ihn immer mehr eine Freundschaft verbindet, auf den Weg zum Zauberer Holunder, um seine Freundin Motte sowie die Königin und ihr Gefolge zu befreien. Auf ihrem Weg dorthin kommen die beiden zu einer Hütte im Wald, wo sie auf zwei überraschend bekannte Fremde treffen, die sie bei ihrer Befreiungsaktion begleiten werden.

Wieland Freunds abenteuerliche Fantasiegeschichte erzählt von Helden und Außenseitern, von Vorurteilen und Freundschaft und Mut, aber auch davon, dass sich nicht alles im Leben aus Büchern lernen lässt. Vor allem die zahlreichen, lebendigen Charaktere machen das Buch zu einem spannenden und anregenden Leseabenteuer. Da ist einmal Jannis, der Helden des Buches, der die Welt lieber selbst entdeckt, anstatt sie durch vorgefertigte Merksätze zu erleben. Aber auch seine Freundin Motte, eine Superschülerin, die ihre Freundschaft mit Jannis aber immer über alles stellt.

Den besonderen Witz des Buches machen aber jene skurrilen Figuren aus, wie Wendel der Schrat, der mit seiner liebenswürdigen und anhänglichen Art und seinem obligatorischen „Oha“ rasch die Herzen der Leserinnen und Leser erobert, auch wenn er fälschlich als Unglücksbringer verdammt wird. Gelungen ist aber auch die Charakterisierung von Eibert dem Storch, den Lehrer und Prüfer der Elfen, der selbst im größten Unglück sich nur Sorgen um die verlorengegangenen Lehrsätze für seine Schüler macht.

Ebenfalls originell beschrieben wird auch die Figur des Amsel Salamander, dem totgeglaubten Autor der Lehrsätze, die seit langer Zeit von allen Schülern bis zum Umfallen auswendig gelernt werden müssen. Vergleichsweise blass wirken dagegen die Bösewichte, wie der Zauberer Holunder oder der gemeine Uhu Siegbert, sein Gehilfe.

„Wecke niemals einen Schratt“ bietet von der ersten bis zur letzten Seite ein spannendes und unterhaltsames Lesevergnügen und kann allen jungen Leserinnen und Lesern gerne empfohlen werden. Die kurzen Kapitel und die zahlreichen schön gestalteten Illustrationen unterteilen das umfangreiche Buch in überschaubare Kapitel, die auch langsamere Leser nicht überfordern.

Wieland Freund, Wecke niemals einen Schrat! Die Abenteuer von Jannis und Motte, ill. v. Joelle Tourlonias, ab 9 Jahren
Weinheim: Verlag Beltz & Gelberg 2013, 232 Seiten, 15,40 €, ISBN 978-3-407-82017-4

 

Weiterführender Link:
Verlag Beltz & Gelberg: Wieland Freund, Wecke niemals einen Schrat!
Wikipedia: Wieland Freund
Wikipedia: Joëlle Tourlonias

 

Andreas Markt-Huter, 14-01-2014

Bibliographie

AutorIn

Wieland Freund

Buchtitel

Wecke niemals einen Schrat! Die Abenteuer von Jannis und Motte

Erscheinungsort

Weinheim

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Thienemann-Verlag

Illustration

Joelle Tourlonias

Seitenzahl

232

Preis in EUR

15,40

ISBN

978-3-407-82017-4

Lesealter

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Wieland Freund wurde in Paderborn geboren und ist Autor, Kritiker und Journalist. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.<br />Joëlle Tourlonias wurde in Hanau geboren und hat Visuelle Kommunikation mit Schwerpunkt Illustration und Malerei an der Bauhaus Universität Weimar studiert. 2009 machte sie sich selbständig und zeichnet, malt, lebt und liebt seitdem in Düsseldorf.