Zoran Drvenkar, Der letzte Engel
„Und dann war da noch eine Mail ohne Betreff von einem mir fremden Account. Ich las den Text. Zweimal. Danach saß ich etwas verwirrt an meinem Schreibtisch und las ihn ein drittes Mal. >sorry für die schlechte nachricht / aber wenn du aufwachst, wirst du tot sein / wir wollten nur, dass du das weißt / du bist nicht allein / sei mutig und stark<“
Markus, der von seiner Freunden aber nur Motte gerufen wird, lebt mit seinem Vater allein in Berlin. Im Alter von neun Jahren nahm ihn seine Mutter mit auf eine Reise nach Dänemark, wo sie nach einem geheimnisvollen Telefonat, für immer verschwand. Sein Vater brachte ihn wieder heim und kümmerte sich von dieser Zeit ab alleine um ihn.
Nachdem Motte die Ankündigung seines Todes gelesen hat, versucht er mit Gewalt wach zu bleiben. Als er trotzdem einschläft, muss er feststellen, dass er tatsächlich gestorben und als Engel mit Flügeln aus seinem Körper getreten ist. Er bittet sofort seinen besten Freund Lars zu sich, der ihn erstaunlicher Weise sehen kann, während er für seinen Vater unsichtbar bleibt.
Lars ergreift die Flucht, um nicht unter Mordverdacht zu geraten, während Motte beobachtet, wie sein Vater nach einem Telefonat seinen toten Körper und die Wohnung in Brand setzt. Motte weiß noch nicht, dass er der letzte Engel ist, auf den nun gnadenlos Jagd gemacht wird. Eine geheimnisvolle Bruderschaft, die von den Gebrüdern Grimm vor knapp 200 Jahren ins Leben gerufen wurde, setzt seit dieser Zeit alles daran, jene künstlich geschaffenen Engel zu vernichten, die rund um die russischen Gräfinnen Pia und Natascha sowie den russischen Zaren Alexander, die sogenannte Familie, erschaffen werden.
Damals wurden in einer Höhle zwei in Eis gefrorene Skelette mit Flügeln entdeckt, die seither alle Personen, die mit den Flügeln in Berührung gekommen sind, in ihren Bann gezogen haben. Die besten Wissenschaftler Europas, werden nach St. Petersburg eingeladen, um sich an der Erforschung der Überreste zu beteiligen und einen Weg zu finden, die Engel wieder ins Leben zurückzurufen.
200 Jahre später beginnt ein Wettlauf mit der Zeit zwischen der Bruderschaft und der Familie um das Leben des letzten Engels. Während die Bruderschaft eine Reihe bestens ausgebildeter Söldner rund um den erfahrenen Engeljäger Lazar aussendet, um Motte zu töten, erhält dieser unerwartete Hilfe von Esko, einem flügellosen Engel, und Mona, deren Gabe es ist Erinnerungen zu wecken. Auf Mottes Beerdigung kommt es schließlich zum großen Showdown, der einerseits das Ende des 1. Bandes besiegelt und die Leserinnen und Leser mit Spannung auf die Fortsetzung hoffen lässt.
Zoran Drvenkar bietet mit seinem Roman „Der letzte Engel“ alles andere als eine leichte Lektüre. Die Leserinnen und Leser stehen keiner linearen Erzählweise gegenüber, sondern werden von den Zeitsprüngen und unterschiedlichen Perspektiven wie auf einer Achterbahnfahrt gleichsam mitgerissen. Die Sichtweise der wichtigsten Protagonisten werden in unterschiedlichen Erzählperspektiven vorgestellt, wobei die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Schwarz und Weiß immer mehr verwischen. So erleben sich die Leserinnen und Leser immer wieder zwischen den beiden antagonistischen Kräften hin und hergerissen.
Zoran Drvenkars fulminanter Fantasy-Roman fesselt von der ersten bis zur letzten Seite, wobei die spannende Geschichte, durch seine zahlreichen kräftig gezeichneten Figuren und seine unerwarteten Zeitenwechsel besticht. Dabei fordert der Plot genaues und konzentriertes Lesen, um in der Fülle an Figuren und Wendungen, den verbindenden Faden nicht zu verlieren. Die Mühe wird aber durch einen der sicherlich interessantesten und spannendsten Jugendromane der letzten Jahre belohnt.
Zoran Drvenkar, Der letzte Engel. Ab 14 Jahren
München: Cbj-Verlag 2012, 432 Seiten, 17,50 €, ISBN 978-3-570-15459-5
Weiterführende Links:
Cbj-Verlag: Zoran Drvenkar, Der letzte Engel
Wikipedia: Zoran Drvenkar
Andreas Markt-Huter, 05-12-2012