Erika Pluhar, Paar Weise

Buch-CoverKaum etwas ist in seiner Gewöhnlichkeit so ungewöhnlich wie ein einzelnes Paar. Jedes Paar glaubt, ein Unikat zu sein, und doch ticken alle Paare letztlich ziemlich ähnlich, sie kommen zusammen, schauen sich in die Augen oder machen sonst etwas Filmreifes, und trennen sich.

Erika Pluhar schickt in ihren Geschichten und Gedichten jede Menge Paare auf die Bühne. Bereits der Beginn ist fulminant trivial, zwei lebenserfahrene Passagiere treffen sich im Speisewagen und sind ziemlich verstört, weil sie das Flirten verlernt haben.

Während sie in ihren Erinnerungen Alltagsfloskeln und semantische Rühreier suchen, die vielleicht in die Szene passen könnten, verfliegt draußen die Landschaft und sie kommen zum grandiosen Ergebnis, dass der Herbst wieder einmal für eine Stunde aus Traurigkeit und Herzergriffenheit besteht, darauf trinken sie.

In einer anderen Story erzählt die Frau ihrem Partner, dass sie schwanger ist und ihn deshalb verlassen wird, aber sie wird seinen schönen Namen mitnehmen.

Natürlich darf auch die theatralische Inszenierung im Besucherraum eines Gefängnisses nicht fehlen, die Hände kleben an der Trennscheibe, während die Lippen irgendwelche aufgestauten Sehnsuchtssätze sagen.

Ein paar verbrauchte Schauspielertypen treffen sich für das cineastische Spätwerk, sie haben große Lebenserfahrung, die sich in ausgewachsenen Marotten zeigt. Je natürlicher sich diese ausgeflippten Paarteile geben, umso manieristisch verdrehter werden ihre Bewegungen und Ansichten.

Der Umgang der Paare miteinander ist in allen Geschichten ein inszenierter, künstlerischer, weiser. Das Feuer der Hormone wird klein gehalten und mit viel Ironie in erträgliche Singleportionen aufgeteilt. Daher auch der kluge Buchtitel Paar Weise, Paar als Weise.

Zwischen die Geschichten sind recht flotte Gefühlsgedichte eingestreut. Der Wiener Ausdruck, lass mich angelehnt, also lass mich in Ruhe, wird einer Leiter in den Mund geschoben, die nur vorsichtig bestiegen werden will, weil sie nur provisorisch irgendwo angelehnt ist.

Sollte ich es einmal schaffen / neben dir mich selbst zu achten / ohne mich behaupten zu müssen / dann werde ich dich lieben können / ohne Schatten. (223)

Erika Pluhar arbeitet das ziemlich abgedroschene Thema über Beziehungen und Paare sehr kühl und professionell ab. Die Geschichten sind zu altbekannten Plots ausgeformt, die Überraschung hält sich naturgemäß in Grenzen. Frech ist allerdings ihre Vorgangsweise, die trivialen Beziehungen voller Trash zu beschreiben. Psychosmog nennt man wohl dieses Flirren von Partikelchen, die die Seele reizen und zum Husten bringen.

Erika Pluhar, Paar Weise. Geschichten und Betrachtungen zur Zweisamkeit.
St. Pölten: Residenz 2006. 223 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7017-1472-8.

 

Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Erika Pluhar, Paar Weise
Wikipedia: Erika Pluhar

 

Helmuth Schönauer, 14-02-2007

Bibliographie

AutorIn

Erika Pluhar

Buchtitel

Paar Weise. Paar Weise. Geschichten und Betrachtungen zur Zweisamkeit

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Residenz

Seitenzahl

223

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7017-1472-8

Kurzbiographie AutorIn

Erika Pluhar, geb. 1939 in Wien, lebt in Wien.

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