Amir P. Peyman, Die Abenteuer des Tarek Kemal

Buch-CoverRoutinierte Einheimische erkennt man meist daran, dass sie sich mit einem einzigen verbalen Hammer die Welt erschließen. Was sich mit diesem Einheitstool nicht aufmachen lässt, hat eben Pech gehabt, es bleibt außerhalb der Wahrnehmung dieses Users.

Amir P. Peymann schickt seinen Helden Tarek Kemal gleich mit einem gigantischen Sprach-Set durch den Alltag, aus diversen Landstrichen und Kulturen sind die Bezeichnungsmittel zusammengetragen, mit denen sich so gut wie alles aufsperren lässt.

Was in der grammatikalischen Darbietung wie ein reduziertes Pidgin-German klingt, ist in Wirklichkeit ein pragmatisch üppiger Werkzeugkasten, mit dem sich hervorragend jene Zustände beschreiben lassen, die nur verwinkelt und hintenrum über Ecken erreichbar sind, während vorne die glatte Fassade der Öffentlichkeit alles wasserdicht verhüllt.

Tarek Kemal ist nicht nur wegen seiner subversiv pfiffigen Sprache allen Situationen gewachsen, er ist natürlich ein am Leben geschulter Überlebenskünstler. Bereits mit der Eingangsgeschichte wird alles klar. Wenn kein WC in der Nähe ist, muss man eben in die Hose machen, letztlich ist es nur ein unbedeutender alltagskultureller Unterschied, wo die Notdurft gerade hin geht.

In ähnlich verschmitzter souveräner Art geht es weiter. Befehle von einheimischen werden so lange wörtlich genommen, bis diese aufgeben. Bestellte Speisen werden immer in der falschen Größe serviert, weshalb man klugerweise falsch bestellt. Die Technik macht jeden fertig, der sich mit dem Leben auskennt, weshalb Tarek Kemal die Technik gleich mit der Technik selbst aushebelt.

Im Umgang mit der Behörde erblüht das Tarzandeutsch, wie es der Anwender selbst nennt, zur Höchstform. Je Tarzanähnlicher der Beamte von Jane und den bürokratischen Bananen spricht, umso schwungvoller turnt sich der Petent mit seiner Liane durch den Sprachdschungel.

Dieser Tarek Kemal aus Wien Ottakring ist in dieser Form nicht unterzukriegen, da hilft ihm schon das Motto, das vom Buchumschlag prangt: „Hunde, Katse oda Maus, Tarek macht dia Doener draus!“

In einem Nachwort beschreibt Traude Korosa, mit welchen Sprachstrategien Migranten am ehesten Fuß fassen auf jener schiefen Sprachebene, die sie unweigerlich sozial nach unten rutschen lassen.

Schelmengeschichten fußen immer auf traurigen Tatsachen. Je mehr man sich als Leser dieser wunderbaren Überlebenshilfen abhaut, umso zusammen geschlagener müssen die Protagonisten in der Realität herum rennen. So helfen diese Episoden des Autors Amir Peyman vielleicht, den Überlebenskampf von zugezogenen Sprachpionieren im Alltagsbrei eines genormten Imperiums besser zu verstehen.

Amir P. Peyman, Die Abenteuer des Tarek Kemal. Mit einem Nachwort von Traude Korosa.
Wien: Uhudla A – Tri/TOn 2006. 90 Seiten. EUR 13,90. ISBN 978-3-901561-66-5

 

Helmuth Schönauer, 16-02-2007

Bibliographie

AutorIn

Amir P. Peyman

Buchtitel

Die Abenteuer des Tarek Kemal

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Uhudla & Tri/TOn

Seitenzahl

90

Preis in EUR

13,90

ISBN

978-3-901561-66-5

Kurzbiographie AutorIn

Amir P. Peyman, geb. 1971 in Teheran, lebt in Wien.