Erika Kronabitter, Panisches Herzklopfen

Buch-CoverMorgengesichter knapp am Leichenschauhaus vorbei, blasse, zerzauste, von Fehlfarben durchzogene Gesichter, zwischendrin Augenpaare, die es vielleicht schaffen könnten.

Erika Kronabitter hat Fotos von Menschen gemacht, die am Morgen noch nicht da sind. In Filmen sind die Gesichter selbst für das größte Elend noch edeldüster geschminkt, die Realität schminkt diese Gesichter alle ab, wenn man sie zu früh belichtet.

Die Videokünstlerin, Fotografin und Lyrikerin Erika Kronabitter hat für ihr ungeschminktes Projekt Künstler, Musiker, Schriftstellerinnen und andere Stars gebeten, selbst für ein „Morgengesicht“ zu posieren. Herausgekommen ist eine Fahndungsliste der anderen Art. Alle diese Gesichter haben ihren Sinn verloren und starren den Betrachtern fragend entgegen, ob es sich wohl noch lohnt, jemals wieder die Augen aufzumachen.

Als Leser schaut und schaut man, wacht alle auf, werft den Kreislauf an!

Denn Sinn gibt es in Kronabitters Projekten allemal zu finden, beispielsweise in den Gedichten, jeweils einer literarischen Person, einem privaten Phantom oder einer künstlerischen Verfahrensweise gewidmet.

Die Gedichte ruckeln wie der Vorspann zu einer anderen Realität über die Seite, die dadurch etwas Phantasiebreites wie eine Leinwand bekommt. Der Titel wird aufgeblendet, abgeschnittener Rosenstrauß, rasend das Auge, den November tief im Gesicht oder Lippennah, dazu jeweils eine Widmung in der Schrift einer geheimen Regie, Anna Mitgutsch, Ingeborg Bachmann, Manfred Chobot oder Gerhard Kofler beispielsweise. Die Widmung ist so etwas wie das Programm des Gedichtes. Es kann um ewiges Missverständnis gehen, wie bei Ingo Springenschmid, oder um ikonenhafte Ansichtskarten wie bei Friederike Mayröcker.

Das heftigste Gedicht freilich entführt uns in jenes Reich, wo Zukunft und Träume zu einem knusprigen Lebenszopf gebacken worden sind. Das lyrische Ich und der Widmungsträger überlegen, wie wohl ein Wunschkind ausgesehen hätte, seiner zeit in die Welt gesetzt und dieser frei übergeben. Mittlerweile ist alles anders geworden, jeder hat seine eigenen Kinder, aber das Wunschkind ist immer noch da, ist frech wie die Welt und hält die Träume von einst für die Zukunft zusammen. Vielleicht kann panisches Herzklopfen die Zeit anhalten zur erlösenden Formel „an manchen Tagen überlegten wir“.

Erika Kronabitters Gedichtband mit Fotodokumentation liest sich als eine unendliche Reisebegleitung durch längst abgeräumte Installationen. Der Leser klappt sich die entsprechenden Ausstellungsflächen auf, projiziert seine eigenen Filme auf eine Struktur, die sich „Don’t disturb my Xmas-tree“ nennt. Unter diesem Titel fand 2006 in Feldkirch eine Ausstellung statt, die durch diesen multimedialen Gedichtband zeitlos geworden ist.

Erika Kronabitter, Panisches Herzklopfen. Gedichte und Fotos.
Brunn am Gebirge: art&print 2006. (= confusibombus). 52 Seiten. EUR 15,-. [keine ISBN]

 

Weiterführender Link:
Homepage: Erika Kronabitter



Helmuth Schönauer, 14-07-2007

Bibliographie

AutorIn

Erika Kronabitter

Buchtitel

Panisches Herzklopfen. Gedichte und Fotos

Erscheinungsort

Brunn am Gebirge

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

art&print

Illustration

Erika Kronabitter

Seitenzahl

52

Preis in EUR

15,00

ISBN

o. A.

Kurzbiographie AutorIn

Erika Kronabitter, geb. 1959 in Hartberg, lebt in Feldkirch.

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