Thomas Ballhausen, Die Unversöhnten

Buch-Cover"Die beste Lösung scheint mir nun die Auflösung, das absolute Aufgehen im Zustand der Löschung." (74)

In Thomas Ballhausens Erzählung kämpfen diverse Heroen, Zeitgeister und Mythen um die Weltherrschaft des Gedächtnisses. Unversöhnt sind sie alle, die griechischen Halbgötter mit der irdischen Gegenwart, die Philosophie des Kopfes mit den Lebensbedingungen moderner Städte, die Karriereplanung Intellektueller mit dem trivialen Abschaum des Alltagsgeschäftes eines Auftragskillers.

Die Erzählung ist knallhart durchnummeriert wie etwa Wittgensteins Tractatus. "Pelz", "Nachsendeauftrag", "Notquartier" und "Einbahn" heißen die Überkapitel, denen in scheinbar zwingend logischer Abfolge die Absätze unterschoben sind. Aber logisch ist auf den ersten Blick nur die Nummerierung der Absätze, die einzelnen Teile gehen eher kratzbürstig aufeinander los, als dass sie auf die Schnelle etwas mit einander zu tun hätten.

Aber wie aus fluxen Kadern allmählich ein Film entsteht, entsteht auch aus den unversöhnten Partikeln allmählich eine hochinteressante Geschichte.

Der in der griechischen Mythologie entworfene Stier-Mensch Asterios kommt nicht nur als antiker Zeitgenosse sich selbst als Doppelwesen in die Quere, auch sein Auftritt in der Gegenwart ist nicht gerade ein Heimspiel. In einer von Mythen und Plots devastierten Erzähllandschaft, tun sich Helden unendlich schwer, eine Lebenslinie hinzulegen. Kaum hat sich der Held an dem Faden der Ariadne in die Vergangenheit zurückgespult, bekommt er schon einen Auftrag, irgendeine Figur umzulegen.

Unter dem Pelz des Stiermenschen kämpfen die heroischen Elemente von Ying und Yang um ihr Leben, könnte man das erste Kapitel beschreiben. Für einen spontanen Killer stehen ununterbrochen Postkästen mit Nachsendeaufträgen bereit, um einen neuen Befehl auszuspucken, heißt vielleicht das zweite Kapitel. Wo immer man sich heute auch einrichtet, es ist letztlich ein Notquartier in der Geschichte, könnte die Botschaft des dritten Kapitels lauten. Und am Schluss stellt sich alles als Einbahn heraus, meint der letzte Teil.

Erzähltechnisch ist Thomas Ballhausens Erzählung der üblichen Text-Gegenwart voraus. Vieles wirkt experimentell, ist aber bei genauerem Hinsehen ein Readymade des Medienalltags und kommt einem dann doch vertraut vor. Die Mythologie der Antike wird respektlos aufgebrochen und in der semantischen Mikrowelle so aufgewärmt, als ob die Mythen eben frisch entstanden wären.

Und Spannung gibt es auch, ähnlich verschrägt wie in Kaurismäkis Film vom Contract-Killer, der sich selbst umlegen soll. Die meisten Botschaften fliegen zuerst am Ziel vorbei und treffen den Leser später unvorbereitet in einem fernen Lesefeld. Und als Leser bleibt man während der Lektüre stets unter Strom, denn man weiß von Absatz zu Absatz nie, wann man von dieser heroisch wilden Geschichte wieder einen Treffer abkriegt.

Thomas Ballhausen, Die Unversöhnten. Erzählung
Innsbruck: Skarabaeus 2007. 96 Seiten. 14,90. EUR. ISBN 978-3-7082-3195-2.

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Thomas Ballhausen, Die Unversöhnten
Kultur.at: Biographie Thomas Ballhausen

 

Helmuth Schönauer, 02-09-2007

Bibliographie

AutorIn

Thomas Ballhausen

Buchtitel

Die Unversöhnten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

96

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-7082-3195-2

Kurzbiographie AutorIn

Thomas Ballhausen, geb. 1975 in Wien, lebt in Wien.