Wolfgang Kindermann, Kein Sterbenswort

Buch-CoverWenn eine Gedichte-Sammlung mit der Losung "Kein Sterbenswort" überschrieben ist, so eröffnet das mindestens zwei Zugänge: Zum einen soll jede Botschaft verschlossen sein, kein Sterbenswort dürfe herausgerückt werden, zum anderen sind die Gedichte vielleicht so hermetisch angelegt, dass man mit ihnen nicht einmal einen brauchbaren Tod hinkriegt, kein Wort zum Sterben also.

Wolfgang Kindermann setzt seine Lyrik in jene schmale Kluse, welche sich zwischen der öffentliche Wahrnehmung durch genormte Bilder und der individuellen Poesie der eigenen Erfahrung auftut.

Die vier Zyklen sind überschrieben mit: Die unter Trümmern liegen / Flaggenwechsel / Helena von der Rolle / Kein Sterbenswort. Hintereinander gelesen erzählen diese Kapitelüberschriften bereits eine erste Botschaft. Aufgehellt und aufgegeilt von der Notwendigkeit, ununterbrochen frische Nachrichten zu senden, bleibt den Journalisten oft die Wahrheit verborgen, da sie stilgerecht unter Trümmern liegt.

Die Lyrik, zwischen diesen Wahrnehmungsschutt gepresst, vermag jedoch die eine oder andere Klarheit ans Tageslicht zu fördern. Dabei ist der Standpunktwechsel nicht bloß schändlich, Flaggenwechsel mag durchaus aus der Erkenntnis resultieren, dass es besser ist die Seite zu wechseln, als vom eigenen Standpunkt erschlagen zu werden.

Jetzt die griechische / statt der türkischen / Fahne jetzt Euro / Statt Lira Ouzo / Statt Raki jetzt die / Fahrt von Asien / Nach Europa die / Erinnerung der / Zögernde Schritt des / Storches die Grenze / Unsichtbar auf See. (48)

Wie die Sinneinheiten über die Zeilen lappen, so ergibt sich auch der Standpunkt durch permanenten Standpunkt- und Zeilenwechsel. Helena von der Rolle stellt sich schließlich als griechischer Chor dar, der vielleicht gegen die Wand der Medien singt. Mit großem heroischen Aufwand werden Jahrtausende alte Weisheiten zurecht gerückt durch den Überaufwand an Darbietung. Das große Orchester auf einem Minibildschirm der Abendnachrichten herunter gezoomt, in dieser Unwucht liegt vielleicht das Aha-Erlebnis des Lesers.

Gegen Ende werden die großen Sager herunter gebrochen auf ein beinahe jämmerliches Ende. Kein Sterbenswort handelt vom Tod einer nahen Angehörigen, kein Gedicht im Pathos von Brecht und keine Zeile im Großdruck einer Inschrift kann über diesen Zustand hinweg helfen: "Nichts und wieder nichts." (78)

In den Anmerkungen am Ende des Bandes sind diverse Anspielungen auf große Filme, Dokumentationen und monumentale Architekturzitate aufgeführt. Die Größe dieses zitierten Kosmos rückt die Gedichte in ein freches, aufkeimendes Licht. Hinter dem Tod ist vielleicht nichts, vielleicht aber auch die Semantik einer unprätentiösen Lyrik.

Wolfgang Kindermann, Kein Sterbenswort. Gedichte.
Wien: fza verlag 2007. 97 Seiten. EUR 12,90. ISBN 978-3-9502299-2-9.

 

Helmuth Schönauer, 10-12-2007

Bibliographie

AutorIn

Wolfgang Kindermann

Buchtitel

Kein Sterbenswort. Gedichte

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

fza verlag

Seitenzahl

97

Preis in EUR

12,90

ISBN

978-3-9502299-2-9

Kurzbiographie AutorIn

Wolfgang Kindermann, geb. 1967 in Wien, lebt in Wien.

Themenbereiche