Domnica Radulescu, Zug nach Triest

Buch-CoverNichts ist so brutal, wie wenn jemand fliehen muss. Daraus eine romantische Fluchtgeschichte zu machen ist freilich nicht jedermanns Geschmack.

Beim Roman von Domnica Radulescu handelt es sich selten um authentische Geschehnisse, zu sehr ist alles von einer geschönten und ins Positive ausgeleuchteten Erzählstrategie überschattet.

Vielmehr geht es um diese an amerikanischen Literaturuniversitäten gerne unterrichtete Annahme, dass man auch das schlimmste Leben gut hinkriegen kann, wenn man es nur harmonisch erzählt und am Schluss in Amerika enden lässt.

Mona wächst im Rumänien der Ceauçescu-Diktatur auf, der Vater ist an und für sich Universitätsprofessor, aber bei diesem politischen System kann sich das jeden Tag ändern. Während es in der Stadt atmosphärisch bedrückend zugeht, gibt es im Karpatengebirge frische Luft in jeder Hinsicht. Mona ist zudem ordentlich in Mihai verliebt und schläft pro Seite zwei Mal mit ihm.

Hinter dem brutalen System gibt es noch so etwas wie Reste der rumänischen Kultur, etwa das unübersetzbare rumänische Wort "dor", das so viel wie Sehnsucht bedeutet. (57) Aber der Alltag wird immer skurriler, einmal gibt es die Aktion Schreibmaschinen, wo jeder verhaftet wird, der eine solche besitzt, dann munkelt man wieder von einer Kampagne, wonach jeder, der ein Feuerzeug in die Hand nimmt, damit auch abgehört wird.

Während Vater verhaftet und geprügelt wird, benimmt sich der geliebte Mihai wie ein Securitate-Spitzel. Zeit also, aus dem Land zu flüchten.

Mona lässt sich für ihre Flucht professionell beraten, als günstig gilt der Zug nach Triest, weil es vom Tito-kommunistischen Jugoslawien aus am leichtesten ist, in den Westen zu kommen. Die Flucht ist aufgebaut wie ein Hollywood-Drama, in Wirklichkeit dürfte es unspektakulär ärger zugehen.

Schließlich landet Mona über den Umweg Italien in Amerika, wo sie endlich der Lieblingsbeschäftigung nachgehen kann: Lesen, lesen, lesen. Wenn es geht, amerikanische Literatur, denn diese ist die größte der Welt.

Ein bisschen tauchen noch Zweifel auf, ob das alles die richtige Entscheidung war, aber die amerikanische Literaturgeschichte nickt und sagt, es ist alles gut.

Zug nach Triest ist ein professionell durchgeschriebener Unterhaltungsroman, jeder Nagel in jedem Satz-Brett sitzt, die Handlung ist harmonisch ausbalanciert, auf Abenteuer folgt verlässlich Meditation. Nach dieser Methode lässt sich alles erzählen, ob Habsburgerfreak oder rumänische Karpaten-Gospel. Brave Unterhaltung, die an braven Tagen gutes Klima beim Leser erzeugt.

Domnica Radulescu, Zug nach Triest. Roman. A. d. Amerikan. von Christiane Seiler. [Orig.: Train to Trieste].
Hamburg: Hoffmann und Campe 2009. 400 Seiten. EUR 22,70. ISBN 978-3-455-40118-9.

 

Weiterführende Links:
Verlag-Hoffmann und Campe: Domnica Radulescu, Zug nach Triest

 

Helmuth Schönauer, 25-05-2009

Bibliographie

AutorIn

Domnica Radulescu

Buchtitel

Zug nach Triest

Originaltitel

Train to Trieste

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Hoffmann und Campe

Übersetzung

Christiane Seiler

Seitenzahl

400

Preis in EUR

22,70

ISBN

978-3-455-40118-9

Kurzbiographie AutorIn

Domnica Radulescu, geb. in Rumänien, emigrierte 1983 in die USA, lebt in Lexington / Virginia.

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