Michael Amerstorfer, Nachtruhe

Buch-CoverJe seltsamer das Anliegen der Klientin formuliert ist, umso seltsamer wird der beauftragte Privatdetektiv.

Michael Amerstorfer führt in seiner Kriminalerzählung Nachtruhe John Tancredi als einen besinnlich ruhigen Detektiv ein, der mehr oder weniger unterbeschäftigt in der historischen Provinzstadt Canterbury herumlungert, die Katze füttert und als einzig brauchbaren Sozialkontakt den Friseursalon aufzuweisen hat.

Zu ihm kommt eines Tages Jane Hudson, eine Abteilungsleiterin eines Kaufhauses von der Hauptstraße, sie will Nachtruhe.

Also, wie lautet Ihr Auftrag? fragte Tancredi.

Lautet? Sie lächelte. Ich möchte, dass Sie die Clique von Obdachlosen, die sich regelmäßig unter der Rheims-Way-Brücke trifft, auflösen und so die frühere Nachtruhe für die Anrainer der Westgate Gardens wiederherstellen. (17)

Tancredi lässt sich einen Bart wachsen, verkleidet sich als Obdachloser und versucht in die Clique einzudringen. Da stellt sich heraus, dass ein ungeklärter Todesfall noch gar nicht so lange zurück liegt. Der Tote aus dem Milieu hat offensichtlich unmittelbar mit der Nachtruhe zu tun.

Während die Kernermittlungen ums Saufen, Aussteigen aus dem Leben und die Überlebensschwierigkeiten kreisen, öffnen sich für den Privatdetektiv die Lebensumstände der Auftraggeberin. Offensichtlich huldigt die Dame einem weit gefassten Begriff von Liebschaft, und ein beteiligter Lover zitiert dabei sogar Sir Popper um zu erklären, was ein offenes System ist.

Wir führen eine offene Ehe. Wie wir von Karl Popper wissen, sind geschlossenen Systeme zum Scheitern verurteilt. Nur offene Systeme überleben. (91)

Allmählich kriegt der Fall einen logischen Zusammenhang. Der ermordete Obdachlose war ein Halbbruder der Auftraggeberin, der soziale Unterschied zwischen der erfolgreichen Frau und dem verstörten Halbbruder, der es nur zum Obdachlosen bringt, ist zu groß. Als der Außenseiter einmal sogar im Kaufhaus eine Szene macht, ist es aus mit der Nachtruhe.

Die psychische Nachtruhe erstreckt sich nämlich auch auf den Tag, so dass eigentlich das ganze Leben zerstört ist, wenn es mit der Nachtruhe nicht funktioniert. Tancredi löst den Fall in einem Plenum aller beteiligten Personen nach Agatha Christie Manier mit Psychologie. Und alle sind zufrieden.

Michael Amerstorfer erzählt angenehm englisch einen beinahe durchgehend literarischen Kriminalfall. Die Art, wie der Detektiv zwischen Nichtstun, Recherche, Verkleidung und Zeitvertreib den Fall auf sich zukommen lässt, ist sehr sympathisch. Irgendwie gleichen gute Arbeitstage jenem Lebensstil von John Tancredi. Man hat allerhand zu tun, bricht sich kein Bein und kommt zu einer brauchbaren Lösung. - Ein sehr optimistisch zurückhaltende Erzählhaltung!

Michael Amerstorfer, Nachtruhe.
Norderstedt: BoD 2009. ( = Edition Michael Melville). 128 Seiten. EUR 9,-. ISBN 978-3-8370-3741-8.

 

Weiterführende Links:
Norderstedt BoD: Michael Amerstorfer, Nachtruhe

 

Helmuth Schönauer, 17-12-2009

Bibliographie

AutorIn

Michael Amerstorfer

Buchtitel

Nachtruhe

Erscheinungsort

Norderstedt

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

BoD

Seitenzahl

128

Preis in EUR

9,00

ISBN

978-3-8370-3741-8

Kurzbiographie AutorIn

Michael Amerstorfer, geb. in Innsbruck, lebt seit 1987 in England.

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