Doris Rüdisser, Fuchsgesicht

Buch-CoverDie wildesten Geschichten, das wissen wir seit Michael Kohlhaas, wuchern immer aus sogenannten Chroniken hervor. In den Chroniken nämlich wird das Leben beinhart, klar und schroff dargestellt.

In Doris Rüdissers Erzählung Fuchsgesicht wird gleich zu Beginn eine Chronik zum Anklingen gebracht, damit alles klar ist.

Eine Mordgeschichte aus dem Bregenzer Wald wird 1891 am Gericht Feldkirch zum geordneten Abschluss gebracht, die drei Angeklagten werden zum Tode verurteil, später begnadigt man die Erzählerin Anna Katharina und die sogenannte Witwe Anna Katharina, während das Fuchsgesicht Peter Paul hingerichtet wird.

Die nicht hingerichteten Frauen erzählen mit Rollenwechsel und Außenperspektive der eigenen Seele, was sich so in einer entlegenen Gegend zuträgt, wenn man das Leben bis an den Rand ausschöpft.

Und das ist ja der Spagat, den es hinzulegen gilt, einerseits das raue Leben auszuhalten, andererseits durch raue Lebensführung überhaupt das Leben hinzukriegen. Alles was wir heute unter Lebenskunst und Selbstverwirklichung subsumieren, ist in früheren Jahren in entlegenen Gegenden eine fast tierische Überlebenskunst gewesen.

Ja, die Larve, die hatte er an einer Viehtränke im Tirolischen gefunden, im Schnee, in den Kuhmist getreten. Zu einem Dreckbollen zusammengefroren lag sie auf der Schattseite hinter einem Brunnen. Aus Sackleinen und Leder und Fell genäht, ein stinkendes Fuchsgesicht. (45)

Anna Katharina, aus dem Gefängnis entlassen, versucht über den Geliebten, Hingerichteten, Außenseiter ein paar erklärende Sätze für sich selbst zu finden.

Ich weiß auch, dass Peter Paul zwei Menschen ist, der eine, der nicht sein darf, wie er ist, und der andere, der nicht werden kann, wer er ist, weil er den Ersten dauernd verstecken muss, die ganze Zeit, die ihm der Herrgott gibt auf Erden. (44)

Die Erzählung hechelt atemlos der Frage nach, was es für ein Überleben an der Existenzmarke überhaupt braucht. Vielleicht muss man eine Mischung aus Werwolf und Fuchsgesicht werden, um die Welt ordentlich zu erschrecken.

Doris Rüdisser erzählt mit grausig-scharfen Worten und Überlebensformeln eine Geschichte wie im Kleistschen Sinne. Nicht die Lösung eines Falles steht im Mittelpunkt, sondern dieser Zündfunke von sinnlosem Anlass, der daraus eine verquickte Überlebensgeschichte zum Explodieren bring. Fuchsgesicht ist vielleicht deshalb ein Seelenkrimi, weil diese Erzählung gar nicht auf das Krimi-Genre schielt. Hier geht es beinhart, archaisch, "fuchsgesichtig" zwischen Schlauheit und intellektuellem Tier zu. Einbohrend bemerkenswert!

Doris Rüdisser, Fuchsgesicht. Erzählung.
Hohenems: Limbus 2010. 108 Seiten. 14,90. EUR. ISBN 978-3-902534-36-1.

 

Weiterführende Links:
Limbus-Verlag: Doris Rüdisser, Fuchsgesicht

 

Helmuth Schönauer, 29-01-2010

Bibliographie

AutorIn

Doris Rüdisser

Buchtitel

Fuchsgesicht

Erscheinungsort

Hohenems

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Limbus

Seitenzahl

108

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902534-36-1

Kurzbiographie AutorIn

Doris Rüdisser, geb. 1956 in Hohenems, lebt in Thal.