Christoph Simon, ein pony in nachbars park

Buch-CoverWenn er gut formuliert ist, kann der Neid durchaus in Selbstbewusstsein und Stolz übergehen und eine gute Tugend sein.

Christoph Simon dreht in seinen Gedichten immer wieder alle Wertmaßstäbe um und fegt die üblichen Größenangaben vom Tisch. So grast offensichtlich im Schlussgedicht in einem riesigen Park ein mickriges Pony, während das lyrische Ich stolz auf ein rasantes Rennpferd blickt, das allerdings in einem mickrigen Areal untergestellt werden muss, worin man auch Rinder mästen könnte.

Die Gedichte sind als lyrische Stories ausgelegt, sie haben alle einen Inhalt, der sich sogar nacherzählen lässt, aber das lyrisch Unsagbare lauert zwischen den Zeilen und in jenen Zeilenabbrüchen, die immer dann auftauchen, wenn man glaubt, etwas linear kapiert zu haben.

Als Navigationspunkte sind immer wieder Gedichte ausgelegt, die sich mit der Geschichte der Stadt Bern, der skurrilen Ahnentafel des Autors und den grotesken Berufen der Vorfahren auseinandersetzen. Plötzlich bleibt jemand nach einem Krieg im sechzehnten Jahrhundert übrig und gründet eine Familie, in einem anderen Jahrhundert sucht jemand seinen Lebenssinn und er beschließt, für die Stadt Bern Unauffällig-Großes zu bewirken, ein Simon aus der Gegenwart wendet sich dem Sozialen zu, gründet eine Familie und verschwindet anschließend im Schreiben.

drei monate bevor christoph simon säugling / wurde, fing er an zu träumen. später blieb / träumen seine einzige freude. (37)

Immer wieder sind es unverwechselbare individuelle Defekte, die schließlich zu einer einmaligen Persönlichkeit führen. Die Geliebte etwa trägt eine Laufmasche am Strumpf, aber durch eleganten Gang überdeckt sie diesen Makel und löst beim Liebhaber unendlich heftige Gefühle aus.

Überhaupt liegt eine eigene Logik den Texten zugrunde. Selbst die sogenannten Naturgesetze werden oft mit einer schräg abgefeilten Theorie außer Kraft gesetzt.

bevor der mensch in betrieb genommen ward, diente sein körper / engeln als quartier. ein juckreiz an der rückwärtigen körperöffnung / erinnert an sie, die hier fern der himmel verpufft sind. (14)

Christoph Simon schafft es, selbst aus monotonen Ereignissen einen aufregenden Stich heraus zu kitzeln und das lyrische Ich mit Furor einzukleiden. In einem als Folksong getarnten Gedicht fährt eine Gruppe desillusionierter Lebensgestalter so lange durch die Getreidewüste des mittleren Westen, bis sich die Halme unter der Last der Beobachtung zu biegen beginnen.

In einer Wunschliste ist aufgezählt, worauf es in dieser Welt ankommt. Ein Schafhirte wünscht sich etwa beim Schafe zählen, dass er nicht einschläft, ein Eremit wünscht sich, dass die Gegend nicht so entlegen ist. Christoph Simon schafft es mit seinen Gedichten, seltsame Wünsche zu stillen und bei ruhig gestellten Menschen wilde Wünsche und Lebenslust zu wecken.

Christoph Simon, ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem. Gedichte.
Zirl: Edition Baes 2009. 59 Seiten. EUR 12,-. ISBN 978-3-9500933-9-1.

 

Weiterführende Links:
BAES-aktuell
Wikipedia: Christoph Simon

 

Helmuth Schönauer, 04-03-2010

Bibliographie

AutorIn

Christoph Simon

Buchtitel

ein pony in nachbars park, ein rennpferd in meinem

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Edition Baes

Seitenzahl

59

Preis in EUR

12,00

ISBN

978-3-9500933-9-1

Kurzbiographie AutorIn

Christoph Simon, geb. 1972 in Langau im Emmental, lebt in Bern.

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