Markus Henrik, Copy Man

Buch-CoverJe mieser die Jobs sind, umso seltsamer wird die Berufsbezeichnung. So gibt es einerseits für die goldenen Jobs, wo man eigentlich nichts tun muss außer regelmäßig den Bonus zu kassieren, Phantasieabkürzungen wie CEO, CAO oder CCO, andererseits werden auf der untersten Ebene Reinigungsdienste als Facility-Service angeboten und Handlangerdienste am Kopierer als Copy-Management dargestellt.

In Markus Henriks Praktikanten-Roman geht es um diese Verhöhnung auf der untersten Stufe. Anton Kiewicz hat eine Schullaufbahn so halbwegs abgeschlossen und drängt nun auf den Arbeitsmarkt.

Als ironisch spezielle Ausbildung hat er Kafka im Unterricht genossen und seither findet er Texte wie Das Schloss, Die Verwandlung oder In der Strafkolonie (13/14) als besonders gelungene Vorbereitung für die Arbeitswelt.

Nach langem Herumstreunen in den Vorzimmern der Berufswelt gibt es endlich Aussicht auf einen Job. Ein Marktforschungsinstitut bietet ein tolles Betätigungsfeld an. Das Problem ist nur, dass dieser Job auch anderen angeboten wird und somit eher einer Wurst gleicht, die man einem Hund vor die Nase hängt, als einer menschenwürdigen Arbeit.

Außerdem ist das Tollste an der Firma die Bezeichnung, nämlich Marktforschungsinstitut. In Wirklichkeit handelt es sich aber um ein mickriges Call-Center, von dem aus der blöden Konsumentenschaft dumme Dinge angedreht werden sollen.

Anton Kiewicz gibt übers Wochenende noch einmal ordentlich Gas und legt quasi einen One-Night-Stand nach dem anderen hin.

Die Arbeitswelt kommt mit verschnörkelten Sätzen daher spaziert:

In der ersten Woche werden Sie überwiegend im Direktmarketing und in unserer Marktforschungsabteilung arbeiten, in der zweiten im Consultingbereich. Wir arbeiten vornehmlich im B2B-Bereich, trotzdem werden Sie aber auch mit dem Direct-to-Consumer-Marketingsegment in Berührung kommen. (63)

Kein Wunder, dass Anton Kiewicz nur Bahnhof versteht. Das Maß an Verständnislosigkeit ist voll, als er als Copy Man eingeteilt wird, das heißt, blöde Kopien an einem blöden Kopierer herunterlassen muss.

Allmählich entwickeln sich Abwehrkräfte, wie man diese verbal aufgeblasene und unwürdige Welt behandeln könnte. Die Sprache der Arbeit wird als Nonsens-Poesie verarscht, die Befehle werden im Sinne Kafkas ad absurdum geführt und letztlich tauchen kreative Gedanken auf, wie man diesem unsinnigen System einen anarchischen Sinn verleihen könnte.

Markus Henrik erzählt frech von der sogenannten "Generation Praktikum", die als vertrottelter Appendix eines überholten Wirtschaftssystems verarscht und ausgebeutet wird. Als Leser hilft man alsbald zu den Helden, die sich dagegen auf die Füße stellen. Und wie Huckleberry Finn genießt man die Sabotage-Ideen, die ja eine höhere Kunstform des ehemaligen Lausbubenstreichs sind, freilich mit hoffentlich politischen Auswirkungen. - Ein frecher Widerstands-Roman voller Anarcho-Poesie.

Markus Henrik, Copy Man. Ein Praktikanten-Roman.
Frankfurt/M: Eichborn 2010. 207 Seiten. EUR 13,40. ISBN 978-3-8218-6084-8.

 

Weiterführende Links:
Eichborn-Verlag: Markus Henrik, Copy Man
Homepage: Markus Henrik

 

Helmuth Schönauer, 10-03-2010

Bibliographie

AutorIn

Markus Henrik

Buchtitel

Copy Man

Erscheinungsort

Frankfurt

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Eichborn

Seitenzahl

207

Preis in EUR

13,40

ISBN

978-3-8218-6084-8

Kurzbiographie AutorIn

Markus Henrik, geb. 1983, ist Musiker und Videoproduzent beim WDR und NRD.