Christoph Wagner, Muj und der Herzerlfresser von Kindberg

Buch-CoverErst wenn es über eine Gegend einen  Krimi gibt, gilt sie als einmalig, unverwechselbar und als Vorstufe zum Weltkulturerbe.

Gut möglich, dass die Gegend entlang der österreichischen Südbahn zwischen Bruck und Mürzzuschlag eines Tages als schützenswertes Landschaftsereignis in allen Tourismusführen aufscheinen wird.

An der Südbahnstrecke ist Bezirksinspektor Muj stationiert und er erwartet eigentlich vom Leben nichts mehr, außer dass die Südbahn verlässlich fährt, die angrenzenden Bezirksinspektoren die Reviergrenzen einhalten und dass dann doch einmal die Pension kommt.

Aber so ist das eben in der Provinz, gerade wenn man sich darin in aller Ruhe eingerichtet hat, gibt es ein Verbrechen. Mitten unter Siloballen wird eine Leiche gefunden und wo in solchen Fällen üblicherweise das Herz aufgehört hat zu schlagen, klafft ein großes Loch, das Herz ist futsch.

Bald beginnt es an der Südbahn kriminalistisch zu wuseln, der Bahnhof wird mehr oder weniger zum Headquarter der Ermittlungen, weil hier am ehesten Verdächtige absteigen oder fortfahren. Auch das Kriminal-Personal in der Mürzfurche ist bald einmal aufgestellt, aus benachbarten Rayons strömen Konkurrenten ein. Denn es ist nicht sicher, wer in diesem Falle nun zuständig ist, der Inspektor, auf dessen Gebiet die Leiche ohne Herz gefunden worden ist oder jener, der vorgibt, das Herz entdeckt zu haben.

Gestört und vorangetrieben wird der Fall durch "das Weib", wie die einzige weibliche Ermittlerin der Gegend provinziell abfällig genannt wird.

Ein Heimatforscher liefert interessante Hinweise zum Mythos des Herzerlfressers. Einer alten Heimatsage nach soll einmal einem untreuen Kerl das Herz herausgerissen worden sein, und auch die modernen Satanskulte der enttäuschten Jugend greifen gerne auf diesen Mythos zurück. Die Verbindung zur Außenwelt stellt ein konvertierter orthodoxer Jude her, der als Geheimpolizist mit Kaftan getarnt auf den raren internationalen Zügen der Südbahn mitfährt und die Ermittlungen koordiniert. Für die endgültige Klärung muss Inspektor Muj gar noch nach Graz auf die Uni, und diese düstere Hauptstadt mit Vorstadtflair gibt ihm den Rest, aber immerhin trägt die Stadt zur Klärung des entlegenen Verbrechens bei.

So viel kann noch verraten werden: Eine große Katastrophe bahnt sich für Muj an, als er erfahren muss, dass die Tabaksregie die Produktion der beliebten Virginia einstellt. Wenigstens ein Restposten, der bis zur Pension reichen wird, kann noch aufgetrieben werden, die Virginias versüßen zusammen mit der Klärung des Falles das Dasein des Bezirksinspektors Muj.

Christoph Wagners Südbahn-Krimi ist eine süffisante Hommage an das beschauliche Leben entlang einer heruntergefahrenen Hauptbahnstrecke, die peripheren Schauplätze lassen nur ein Minimum an Aktion zu, aber zwischendurch wird die Kontemplation hektisch wie mitten im Weltzentrum. Die Figuren haben einen liebenswerten "Huscher" und kommen mit der Ödnis gut zurecht. Und wenn man wirklich einmal ausbrechen muss, dann nur für kurze Zeit und spontan, denn Abhauen ist durch den ausgedünnten aber regelmäßigen Zugsverkehr mehrmals am Tag möglich.

Christoph Wagner, Muj und der Herzerlfresser von Kindberg. Ein Südbahn-Krimi
Innsbruck: Haymon 2010. ( = Haymon tb 26). 191 Seiten. EUR 9,95. ISBN 978-3-85218-826-3

 

Helmuth Schönauer, 02-04-2010

Bibliographie

AutorIn

Christoph Wagner

Buchtitel

Muj und der Herzerlfresser von Kindberg

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Haymon

Reihe

Südbahn-Krimi

Seitenzahl

191

Preis in EUR

9,95

ISBN

978-3-85218-826-3

Kurzbiographie AutorIn

Christoph Wagner, geb. 1954, lebt als Gastrosoph und Autor in Wien, Linz und Kindberg.

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