Uwe Bolius, Juttas Tod

Buch-CoverSobald man über den Tod zu schreiben beginnt, zeigt er sich mit jedem Satz rätselhafter und logischer zugleich.

Uwe Bolius lässt einen ziemlich autobiographisch angelegten Ich-Erzähler den Tod seiner Schwester Jutta durchmachen, die Aufzeichnungen ergeben ein intensives Protokoll über ein sprödes Leben, das in einem scheinbar logischen Tod endet. Hinter dem Erzähler und seiner Schwester steht nämlich übermächtig eine Mutter, die zwar äußerst schön ist, mit ihren Kindern aber nichts anfangen kann.

Schon bei der Namensgebung geht alles schief, eigentlich hätte das Mädchen Dagmar heißen sollen in Verbindung zu dem im Krieg verschollenen Vater, aber Mutter setzt sich mit Jutta über alles hinweg und Jutta wird ein Leben lang verstoßen und geächtet.

Nach außen hin führt Jutta ein gewöhnliches Leben, ist verheiratet mit einem psychopatisch ausgereizten Mann und zieht zwei Kinder groß, die ständig die Scheidung vom wahnsinnigen Vater vorschlagen. Innen aber brodelt es, denn Jutta fühlt sich überflüssig und missachtet. So erkrankt sie schließlich pflichtgemäß an Krebs und stirbt tapfer, so gut es eben geht.

Der Ich-Erzähler wird durch dieses Sterben selbst an den Rand des Lebenssinns gebracht. Ein Leben lang hat er sich nie um seine Schwester gekümmert und sich im Alleingang durch die eigene Geschichte gequält. Einmal in einer Erzählung wird die herzlose Mutter angesprochen, aber es bleibt bei einem literarischen Versuch, der nur Unverständnis auslöst. Jetzt vor Juttas Tod gilt es noch alles auszuhorchen, aufzuschreiben, aufzuarbeiten. Etwa wenn Jutta sagt:

Ja, wir waren ihr [der Mutter] ausgeliefert, als Kinder immer im Weg. Nie hat sie sich über uns gefreut. Weißt du, Uwe, zuerst habe ich das nicht wahrhaben wollen. Dann habe ich lange über Mutti geklagt. Sie beschimpft. Ihr alles Mögliche vorgeworfen. Ganz am Schluss habe ich geglaubt, wir haben uns ausgesöhnt; eher wohl ausgetöchtert. [...] Aber jetzt, mit dem Krebs im Bauch, spüre ich sehr genau, dass das nicht stimmt. (59)

Gegen Schluss des Sterbe-Parcours gibt es sogar noch eine ansatzweise Versöhnung zwischen den Familienmitgliedern.

Uwe Bolius erzählt fassungslos genau, was vielleicht nicht zu fassen ist. Ein Leben, das von Missverständnissen und Bitternis gespickt ist, kann nur durch radikale Aufklärung in jenen abgemilderten Zustand geführt werden, der letztlich den Tod erträglich macht. Das Aufschreiben des Todes ist an manchen Tagen anstrengender als das Sterben, hat man manchmal den Eindruck. Obwohl die Erzählung Juttas Tod streng, straff und überaus ernsthaft ist, entsteht letztlich eine tiefgehende Milde, die einen dieses Ungetüm von Tod halbwegs erträglich erscheinen lässt. - Eine tiefgehende Angelegenheit.

Uwe Bolius, Juttas Tod. Erzählung.
Innsbruck: Limbus 2010. 103 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-902534-34-7

Uwe Bolius, geb. 1940 in Linz, lebt in Wien.

 

Weiterführende Links:
Homepage: Uwe Bolius
Limubs-Verlag: Bücher von Uwe Bolius

 

Helmuth Schönauer, 29-06-2010

Bibliographie

AutorIn

Uwe Bolius

Buchtitel

Juttas Tod

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Limbus

Seitenzahl

103

Preis in EUR

14,90

ISBN

978-3-902534-34-7

Kurzbiographie AutorIn

Uwe Bolius, geb. 1940 in Linz, lebt in Wien.

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