Christian Mähr, Alles Fleisch ist Gras

Buch-CoverDie absolute Vergänglichkeit dieser Welt ist in jenem Psalm zusammengefasst, wonach alles Fleisch zu Gras wird.

Von dieser spurlosen Vergänglichkeit träumen natürlich die Akteure des idealen Verbrechens, und in Christian Mährs Roman gibt es jede Menge Verbrechen und Leichen, die man idealerweise verschwinden lassen muss.

Wie immer im Leben beginnt das große Desaster mit einer kleinen Unregelmäßigkeit in der idyllischen Ordnung der Provinz. Der Ingenieur des Klärwerks hat am Hochstand eine Affäre mit seiner Laborantin und wird dabei von einem Neonazi fotografiert. Wie üblich kommt es dabei zu einem Erpressungsversuch. Aber der Erpresser hat nicht damit gerechnet, dass der Ingenieur die beste Vernichtungsmaschine der Welt besitzt, nämlich ein Mahlwerk vor den Klärbecken, worin alle Kadaver problemlos verschwinden und als wertvoller Grasdünger wieder auf den Markt geworfen werden.

Aber diese erste Entfleischung ist nur der Beginn einer gigantischen Verschwörung, bei der eine Truppe sauberer Menschen die Stadt Dornbirn von allerlei Gesindel säubern und entsorgen möchte.

So ziemlich jede Berufsgruppe hat ein typisches Schwein in ihren Reihen, das stillschweigend zum Verschwinden gebracht wird. Die geheimnisvolle Truppe beruft sich dabei auf ein altes Feme-Recht, das Gerichtsurteile ohne Recht und Öffentlichkeit vorsieht. Also morden ein Polizist, ein Klärwerksingenieur und eine geheimnisvolle Frau gnadenlos dahin und verwandeln Fleisch in Gras.

Die normalen Vergehen und Verbrechen - das ist Sache der normalen Behörden, Polizei, Gerichte. Wir verfolgen Sonderverbrechen, die in unserer Gesellschaft nicht ausreichend oder nicht mehr verfolgt werden. Es gibt keine Aufzeichnungen, keine Computerfiles ... (331)

Die Vorgänge laufen mit einer geradezu verblüffenden Logik und Gewöhnlichkeit ab, dass man als Leser Lust hat, selbst diesem Femegericht beizutreten. Zumal gerade das Freche durchaus Chancen hat, unentdeckt zu bleiben.

Im Roman wimmelt es nur so von Binsenweisheiten des Überlebens. So ist es eigentlich üblich, dass das Verbrechen gelingt, wie einem auch die alltägliche Arbeit gelingt. Denn wie oft im Leben geht einem die Arbeit schief? Fast nie, heißt es recht selbstbewusst.

Obwohl es ständig um Leichen geht, die zum Verschwinden gebracht werden müssen, handelt der Roman eigentlich vom unauffälligen Leben in einer provinziellen Kleinstadt. Es braucht gar nicht viel, dass dieses Leben gelingt: Den Mut zu klaren Gedanken, den Mut, aus den Gedanken Taten folgen zu lassen, und den Mut, eklige Dinge verschwinden zu lassen. Christian Mährs Roman ist fast so etwas wie eine Bibel des raffinierten Überlebens auf intellektuell provinziellem Niveau. Gekonnt und witzig!

Christian Mähr, Alles Fleisch ist Gras. Roman.
Wien: Deuticke 2010. 397 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-552-06127-9.

 

Helmuth Schönauer, 27-09-2010

Bibliographie

AutorIn

Christian Mähr

Buchtitel

Alles Fleisch ist Gras

Erscheinungsort

Wien

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Deuticke

Seitenzahl

397

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-552-06127-9

Kurzbiographie AutorIn

Christian Mähr, Alles Fleisch ist Gras. Roman.

Themenbereiche