Petra Ganglbauer, Die Überprüfung des Meeres

Buch-CoverNichts ist so schlimm, wie das achtlose Vergessen-Sein. Die Aufgabe der Lyrik ist es unter anderem, Dinge und Wörter zu bewahren, mit ihnen zu reden und ihnen ein Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln. Umgekehrt belohnen die Dinge und Wörter die Menschen mit Poesie.

In der Serie Lyrik der Gegenwart der Edition Art Science werden immer wieder lyrische Texte in den Vordergrund gerückt, die sich mit dem Meta-Zustand der Gedichte, dem lyrischen Gewissen und der poetischen Erkenntnis beschäftigen.

Als Beispiel vier ist Petra Ganglbauer am Wort, die ihre Arbeit als "Überprüfung des Meers" vorstellt. Das Meer als beinahe wichtigster Begriff der Poesie wird einer poetischen Überprüfung unterzogen. Was trägt das Meer, wann schäumt es, wann versalzt es die Suppe des Daseins?

Auf dem Korallenriff sitzt die Spitze einer / Vorstellung: Geheimnis, Tiefe ohne Entzifferung. // [kursiv:] (Das Denken stürzt in die Tiefe) (9)

In diesem Kleinod einer Überprüfung wird ein Bild wörtlich genommen, darauf sitzt die wahre Bedeutung und in einem kursiven Vorgang ohne jegliche abschließende Verklammerung löst sich das Denken auf ohne Aufprall.

Das Vergehen von Dingen, der Verfall von Arrangements, die zeitgebundene Inszenierung eines sinnlichen Habitus sind Schwerpunkte in einem ansatzlosen Gedankenreigen. Die einzelnen poetischen Kristallisationen tauchen ohne Vorwarnung auf, setzen sich raumgreifend auf die jeweils rechte Seite des Bandes wie eine Inschrift. Und oft taucht schon während des Lesens das Ende auf, der Text zerfällt quasi vor den Augen des Lesers und hinterlässt eine Schmauchspur jenseits der Ballistik.

Dieses Wasser riecht nach Winter / Die Welt schließt sich über / Dem kalkweißen Flussbett: / [kursiv:] Du gehst tiefer ins Nichts, / Diesem seltsamen Fleck aus Ewigkeit, / Scherben und Sprühnebel. // [kursiv:] (Ich versuche dir ins Wort zu fallen). (123)

Petra Gangelbauer löst die Gravuren fest eingeritzter Botschaften aus ihrer verwitterten Bedeutung, indem sie sie zum Klingen bringt wie lange gelagertes Vinyl. Wasser darf nach Winter riechen und es riecht auch tatsächlich nach Winter, wenn man es sagt. Die Poesie, einmal in Fahrt gekommen, lässt sich auch nicht unterbrechen, sie muss zu Ende erzählt werden quer durch Scherben und Sprühnebel.

Die Überprüfung des Meeres ist eine feine Sammlung von Gedichten, aus denen eine kompakte Poetik heraus sickert, zeitlos, ganz ohne Druck.

Petra Ganglbauer, Die Überprüfung des Meeres. Lyrik der Gegenwart 4.
St. Wolfgang: Edition Art Science 2010. 129 Seiten. EUR 12,-. ISBN 978-3-902157-70-6.

 

Helmuth Schönauer, 21-12-2010

Bibliographie

AutorIn

Petra Ganglbauer

Buchtitel

Die Überprüfung des Meeres

Erscheinungsort

Wolfgang

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Edition Art Science

Seitenzahl

129

Preis in EUR

12,00

ISBN

978-3-902157-70-6

Kurzbiographie AutorIn

Petra Ganglbauer, geb. 1958 in Graz, lebt in Wien.

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