Hagen Rudolph, Hoferissimo 2011/12

Buch-Cover

Die besten Kulturführer sind jene, in denen das Wort Kultur nicht vorkommt. So kann das U-Bahn-Netz einer Stadt mehr über deren kulturelle Agglomeration aussagen als der Spielplan der Oper, weil eben im Untergrund mehr Leben herrscht als in den überirdischen Opernhäusern.

Ähnlich verhält es sich mit den Gebrauchsführern des Alltags. Ein Schnäppchenführer sagt mehr über die regionalen Gelüste einer Gegend aus als ein Kulturbüro, das sich in unseren Gegenden ohnehin immer nur an Touristen wendet.

Hoferissimo gilt daher Kulturkennern als eine perfekte Einrichtung, den Kauf-kulturellen Alltag im Verlaufe eines Jahres zu beschreiben. Denn die Steigerung vom Andi Hofer heißt Aldi Hofer, und sein Wirken wird am besten als Hoferissimo dargestellt. Und längst schon meint man "kaufen", wenn man in unseren Landen von Kultur spricht.

Im Vorspann zu Hoferissimo 2011/12 begrüßt Hagen Rudolph, der Experte für Sonderermittlungen in Sachen Sonderangebote, die neu hinzugekommenen User und erklärt das Prinzip. Die Hofer-Kette hat ihre Sonderangebote wie früher das Kirchenjahr aufgebaut. Für jede Woche gibt es ein bestimmtes Angebot, das Erfolgsprogramm des Vorjahres wird auf das nächste Jahr übertragen. Ab und zu werden freilich Dinge ausgetauscht, so ist etwa der Röhrenfernseher durch einen Flach-Bildler ersetzt worden.

Aus der genauen Beobachtung des vergangenen Jahres ergibt sich hochgerechnet das aktuelle Schnäppchen-Jahr. Im Angebot sind wieder Leckerbissen wie Bauchmuskeltrainer, Windrad oder Barhocker. Damit man als Kunde weiß, wann man welche Lust zu haben hat, sind die Gegenstände nach großen Konsumgruppen geordnet: Gesundheit, Nahrungsmittel, Schule und Bildung. Statt der üblichen Seitenzahl führt das Register stracks in jene Kalenderwoche, in weklcher der Artikel angeboten wird.

Junger Österreicher / blauer Zweigelt / 0.75-l-Flasche / 1,99 / Burgenländischer Qualitätswein, trocken - Dieses Gedicht steht auf der 46sten Woche und besingt den November.

Hoferissimo erlebt man am besten kultisch, man lässt sich von den Angeboten anspringen und überlegt, was man als Kunde damit anfängt. Denn beim Sättigungsgrad an Konsumgütern der gegenwärtigen Gesellschaft wird jedes Produkt automatisch zu einem Luxusartikel, das die Lebensqualität wenn oft auch nur für Minuten erhöht.

Für Semi-Hoferianer genügt das bloße Durchblättern des Katalogs. Wie in der echten Literatur muss man das Gelesene nicht selbst durchführen, um es mit Genuss zu verstehen. Beim Ablesen der zeitgenössischen Gebrauchsgegenstände entsteht zwischendurch ein fast philosophisches Gefühl. Mit Wittgenstein könnte man sagen, die Welt ist alles, was bei Hofer ist und Hoferissimo ist sein Traktat.

Hagen Rudolph, Hoferissimo 2011/12. Der Einkaufsplaner für Schnäppchenjäger.
Innsbruck: Löwenzahn 2010. 240 Seiten. EUR 9,95. ISBN: 978-3-7066-2479-4.

 

Helmuth Schönauer, 21-12-2010

Bibliographie

AutorIn

Hagen Rudolph

Buchtitel

Hoferissimo 2011/12

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Löwenzahn

Seitenzahl

240

Preis in EUR

9,95

ISBN

978-3-7066-2479-4

Kurzbiographie AutorIn

Hagen Rudolph, Hoferissimo 2011/12. Der Einkaufsplaner für Schnäppchenjäger.