Andreas Renoldner, Endstation Wendeplatz

Buch-CoverWie schaut die Welt voller Glanz, Phrasen und Kulissen eigentlich auf der Hinterseite aus?

Andreas Renoldner riskiert in seinem Roman mit dem entlarvenden Titel "Endstation Wendeplatz" einen Blick auf die andere Seite des sozialen Stadtplans. Dabei stellt sich wie immer die Frage nach dem Standpunkt: Wo ist hinten und wo ist vorne?

Für die Heldin Dagmar dürfte diese Frage geklärt sein, ihre Firma ist Konkurs gegangen und sie ist delogiert worden, Dagmar ist im Gesellschaftsspiel also unten. Ihr alter Kombi ist zur ruhelosen Übergangswohnung geworden, je nachdem, wo die Wohnung geparkt ist, gibt es auch täglich eine neue Wohnadresse. Am häufigsten steht Dagmar an der Endstation Wendeplatz, hier gibt es eine Wasserstelle, hier sind auch die Lichtverhältnisse am erträglichsten.

Jetzt sehe ich beim Blick hinaus das Licht von der Straßenlaterne ganz am Ende des Parkplatzes. Der Wendeplatz am Stadtrand hat einige Vorteile, und genau deshalb habe ich auch nach einigen Überlegungen genau diesen Platz für mein neues Zuhause gewählt. Außerdem passt er zu meiner Lage. Endstation Wendeplatz. (24)

Für eine Stadt-Nomadin nämlich gibt es eigene Regeln und Überlebensweisheiten, die ein Abtauchen in die terminlose Zeit ermöglichen. So kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, wenn Dagmar mit den Außenseitern der Glanzgesellschaft in Berührung kommt. Das Leben am Rand ist vollkommen anders strukturiert als jenes im Zentrum. Die hygienische Grundversorgung ist erbärmlich, das Aufspüren von Lebensmitteln erweist sich als genau so mühsam, wie man in der Wüste mit Geduld die Wasserlöcher suchen muss.

Aber trotz dieser miesen Umstände erlaubt es sich Dagmar, so etwas wie eine Liebesgeschichte durchzumachen. Reduziert auf die wesentlichsten Ereignisse werden alle Gespräche, Überlegungen und Sehnsüchte bedeutsam.

Einmal taucht ein sogenannter Zauberer auf, der sich je nach Notwendigkeit verschiedene Namen gibt. Aber in der Randzone des Lebens wird jeder Strohhalm zu einem starken Erlebnis-Ast, an dem man sich freilich vielleicht auch aufhängen muss. Nach einem Wochenende voller Glück legt das Schicksal wieder einen Gang zu, das Auto geht bei einem Unfall verloren, der Lover hat das letzte Geld geklaut.

Die einzige Hilfe in dieser elenden Situation ist die Kunstfigur "Leiderleider". Mit diesem letzten Freund kann Dagmar wenigstens Selbstgespräche führen und sich fallweise das Leben neu erklären.

Endstation Wendeplatz ist ein Roman von der Hinterseite der Gesellschaft. Hier wird am Nullpunkt der Sozialisation alles in Frage gestellt, was üblicherweise an politischen und ästhetischen Gedanken-Konstruktionen über den beinharten Alltag gelegt wird. Die Heldin wird Gezwungenermaßen zur Philosophin und Asketin. Andreas Renoldner rollt den Sinn des Lebens vom Schrottplatz des Lebensgefühls her auf. - Stringent erbarmungslos.

Andreas Renoldner, Endstation Wendeplatz. Roman.
Klagenfurt: Kitab 2010. 256 Seiten. EUR 15,60. ISBN 978-3-902585-72-1.

 

Helmuth Schönauer, 21-12-2010

Bibliographie

AutorIn

Andreas Renoldner

Buchtitel

Endstation Wendeplatz

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Kitab

Seitenzahl

256

Preis in EUR

15,60

ISBN

978-3-902585-72-1

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Renoldner, geb. 1957 in Linz, lebt in Wien.

Themenbereiche