Yorck Kronenberg, Ex voto

Buch-CoverEx voto könnte man flapsig mit ?aus dem religiösen Bauch heraus übersetzen. Opferungen, Rituale lange Wallfahrten können Bestandteil einer Aktion ex voto sein.

Tatsächlich klingt bei Yorck Kronenberg alles einmal recht militärisch und expeditionshaft. Der deutsche Arzt Robert Sieburg ist in einer semi-kaukasischen Gegend entführt worden, die wir nur von heimlich herausgeschmuggelten Kriegsberichten her kennen. Es geht vermutlich um einen Befreiungskrieg oder puren Terrorismus, um die haptische Kriegsinszenierungen und virtuelle Berichte, um Hinrichtungen und religiöse Opferungsakte.

Der Entführte hat vor allem eine Aufgabe, er muss alles aufschreiben. Zu diesem Zweck bekommt er einen Übersetzer beigestellt, der oft auch in das Geschehnis eingreift, um einen kräftigen Bericht für seine Übersetzungen zu pushen.

Alles, wie es sich vielleicht bei der Eroberung von Inka-Reichen zugetragen hat, kommt wieder zur Sprache, dieses Mal aber mit modernen Mittel. Die Waffen sind durchaus am neuesten Stand der Technik und auch die Kommunikationsgeräte sind online, ein paarmal darf der Entführte sogar mit seiner Frau irgendwo in der Zivilisation telefonieren.

Was ich schreibe, ist wahr, weil ich es schreibe. (46)

Der Notar der Geschehnisse hat bald einmal erkannt, dass es sich im Geheimen um religiöse Sachverhalte handeln dürfte, ganz nach dem Motto der Genesis erklärt er alles für wahr und existent, was er aufschreibt.

Dabei gilt es Hinrichtungen und Kämpfe genauso zu schildern wie das Leben in Zelten oder den Umgang mit der Wildnis. Ein paar Frauen erotisieren den Beobachter, aber offensichtlich herrscht in diesem Strich der Welt eine Erotik nicht von dieser Welt.

In manchen Bergdörfern geht die Rede, die Schöpfung sei noch gar nicht abgeschlossen. (60)

Mit der Zeit zeigt es sich, dass man nicht kalt schreiben kann, wie man auch nicht kalt kämpfen kann. Der entführte Arzt leistet ab und zu ärztlichen Beistand und versucht das Empfinden der Opfer zu verstehen. Mit seinen Berichten an die Außenwelt wird er draußen vielleicht gar ein Medienstar.

Yorck Kronenberg zeigt in diesem Roman die Innenseiten eines Krieges am Rand des üblichen Nachrichtenfensters. Mit den Methoden des Abenteurers streifen wir Leser durch archaische Landschaften und Sozialstrukturen. Was uns aus zeitfernen Eroberungsschriften bekannt ist, wird hier in einer aktuellen Fassung für die Tageschau erzählt.

Dabei geht es ganz selten um logische Zusammenhänge, die einzelnen Partikel machen sich oft selbständig und sprengen makabre Löcher in das glatte Weltverständnis. Der Held schreibt um sein Leben, wir lesen aufgeregt mit. Dieser Roman ist eine Spende an die Literatur, ex voto aus dem tiefempfindenden Bauch heraus!

Yorck Kronenberg, Ex voto. Roman
Graz: Droschl 2011. 183 Seiten. EUR 19,-. ISBN 978-3-85420-778-8.

 

Helmuth Schönauer, 10-02-2011

Bibliographie

AutorIn

Yorck Kronenberg

Buchtitel

Ex voto

Erscheinungsort

Graz

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Droschl

Seitenzahl

183

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-85420-778-8

Kurzbiographie AutorIn

Yorck Kronenberg, geb. 1960 in Reutlingen, lebt in Berlin.

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