Ralf Höller, Eine Leiche in Habsburgs Keller

Buch-Cover

Manche Helden der Geschichte müssen in jeder Generation neu vermessen werden, um deren Aktualität begreifen zu können.

Der Journalist und Historiker Ralf Höller rollt den Fall Michael Gaismair neu auf, einerseits, weil die letzte Gaismair-Welle gut zwanzig Jahre zurückliegt, und andererseits, weil um das Jahr 2025 herum eine gigantische Gaismaieritis ausbrechen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden die Aktivitäten des Südtiroler Rebellen dann runde fünfhundert Jahre zurück liegen.

Die Biografie Höllers liest sich wie ein Polit-Thriller aus der politischen Gegenwart. Das hat mit dem dramaturgisch fein gesetzten Stil zu tun, der in schnellen Schnitten jeweils durch kurze Szenen das Wesentliche aufrollt.

Schon der Beginn ist herzergreifend. Gaismair hatte nämlich einen schlechten Tag erwischt, es war zudem noch Montag, und an solchen Tagen sollte man besser gar nicht aufstehen. Gaismair jedoch empfängt einen Pferdehändler und wird niedergestochen. Jetzt muss natürlich man natürlich unbedingt wissen, warum die Habsburger einen Mörder schicken, um den Gaismair zu liquidieren.

In spannenden Sequenzen kommen jene Aktivitäten und historischen Zusammenhänge zum Vorschein, die es aus heutiger Sicht verständlich machen, warum Gaismair ein Rebell geworden ist, warum die Mächtigen den Bogen überspannt haben, und wie zu allen Zeiten das Volk für ziemlich dumm gehalten worden ist.

Die erste Landesordnung wird vorgestellt und als relativ zahm und kapitalistisch kommentiert, die zweite Landesordnung wird als realitätsfern analysiert. Wie sich überhaupt der Autor nie scheut, mit dem Blickwinkel von außen das gedankliche Winkelwerk der Tiroler und ihrer Helden zu kommentieren. Dabei sind seine sprachlichen Bilder unterhaltsam genau, wenn etwa der frühe Gaismair in der Silberstadt Schwaz als lebendes Zeiterfassungsgerät für die Knappen bezeichnet wird oder mit dem Standpunkt jongliert wird, dass der Aufstand der Bauern und jener gegen die Bauern nicht trennbar sind.

So schöne Wortspiele mit der österreichischen Mentalität zergehen natürlich auf der Zunge:

Was macht jemand, der ein Land regieren soll aber noch nie dort war? - Er setzt einen Hofrat ein! (44)

Ralf Höller erzählt unterhaltsam genau, hält sich an die gesicherten Fakten und versucht als oberstes Ziel, einen Menschen zu verstehen und zu beschreiben, der letztlich wie Michael Kohlhaas als Rebell gescheitert ist, weil ihm Zug zum Revolutionär versagt blieb.
Spannend und aufregend, wie man es einem Tiroler Leben gar nicht zutraut!

Ralf Höller, Eine Leiche in Habsburgs Keller. Der Rebell Michael Gaismair und sein Kampf um eine gerechtere Welt, eine Biografie, mit einem Vorwort von Reinhold Messner
Salzburg: Otto Müller Verlag 2011, 205 Seiten, 19,80 €, ISBN 978-3-7013-1182-8

 

Helmuth Schönauer, 18-03-2011

Bibliographie

AutorIn

Ralf Höller

Buchtitel

Eine Leiche in Habsburgs Keller. Der Rebell Michael Gaismair und sein Kampf um eine gerechtere Welt

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Otto Müller Verlag

Seitenzahl

205

Preis in EUR

19,80

ISBN

978-3-7013-1182-8

Kurzbiographie AutorIn

Michael Gaismair, geb. um 1490 in Tschöfs bei Sterzing. Der Rebell, wird 1532 in Padua ermordet.

Ralf Höller, geb. 1960 in Engelskirchen / Bergisches Land, lebt in Bonn.